ein abend mit dem dude von KARL WEGMANN:
Die Stimme des göttergleichen Gram Parsons schickt uns wohlige Schauer über den Rücken. Es ist der Abend des Dude. Wir ehren den großen Jeffrey Lebowski in unregelmäßigen Abständen.
Zuerst wollten wir ja im Bowling-Center feiern, aber dann wies Hermann darauf hin, dass der Dude im ganzen Film kein einziges Mal eine Bowlingkugel in die Hand nimmt. Also gedenken wir jetzt da, wo gerade Platz ist, wo keine deutschen Nihilisten hinkommen und wo die White Russians fließen. Ich bin gerade dabei, eine neue Runde Russen zu mixen, da fragt Hermann: „Was glaubt ihr, wenn der olle Gram noch in diesem Jammertal wandeln würde, würde er dann auch seine Restlebenszeit in Fitnessstudios und Salatbars verplempern?“ – „Oder mit dem Fressen von Obstsalat wie ein gewisser Neil Young“, spottet Willy. „Nie und nimmer“, sage ich, während ich die Kahlua-Flasche köpfe, „Gram war wie seine Dudeness – er hatte Stil.“ Allgemeine Zustimmung.
„Wie kam eigentlich dieser Sportfanatismus in die Welt“, fragt Hermann, „ich meine, früher hatten wir doch alle einfach nur Spaß, und heute will jeder unsterblich werden.“ – „Gram Parsons hat nie Sport getrieben, und er ist unsterblich“, sagt Willy. „Oder nimm Willie Nelson“, unterstütze ich ihn, „der Mann wird im April 68 Jahre alt und kifft immer noch wie ein Tier.“ – „Unsterblich“, sagt Bernd, „allerdings spielt er auch Golf.“ Ungläubiges Staunen. „Doch, doch“, verteidigt sich Bernd, „das steht in einem Buch von Kinky Friedman.“ Darauf gibt’s nichts zu erwidern, dem Kinkster (Brennstoff: irischer Whisky und dicke Havanas) widerspricht man nicht. Die nächste Stunde verbringen wir damit, lebende und tote Musiker und ihre Drogen durchzuhecheln und ihre Unsterblichkeit auszuloten.
Als wir bei John Lennon (am Ende nur noch filterlose Gitanes und literweise Espresso) angekommen sind, wird die Sache etwas kitzlig, denn Hermann fängt wieder mit seiner Theorie über Frauen und Musiker an. „Bleiben wir doch bei Gram Parsons“, ereifert er sich, „der hätte sich weiter von Pamela des Barres einen blasen lassen sollen, als Emmylou Harris ihn in die spinnigen Finger kriegte, war er erledigt.“ Nach gut fünfzehn Minuten hat er sich aber wieder beruhigt. Neue Russen werden serviert und gehen den Weg, den jeder Cocktail in dieser Welt gehen muss. Willy kommt wieder auf den Sport zurück: „Früher gingen wir spazieren, heute joggen sie; früher fuhren wir mit dem Rad zur Schule oder zur Arbeit, weil wir einfach schneller da sein wollten, heute geben sie zwei Monatsgehälter für eine Rennmaschine aus und fahren Rad in ihrer Freizeit.“ – „Die Welt ist aus den Fugen“, sage ich.
Dann geht die Tür auf, Bernds 13-jähriger Filius Alex kommt rein und grinst uns an: „Hey ihr alten Säcke, wieder Dudester-Abend?“ – „Na mein Sohn“, fragt Bernd, „was möchtest du denn einmal werden, wenn du groß bist?“ Alex nimmt Haltung an: „Melde gehorsamst, o mein Erzeuger, wenn ich erwachsen bin, werde ich Profifußballer.“ – „Tja“, sagt Hermann, „Pech gehabt, beides zusammen geht nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen