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Archiv-Artikel

eier-idylle Das ehemalige Ausflugsrestaurant Eierhäuschen am Treptower Park trotzt den Zeiten und bröckelt mit Stil

„Ach, Frau Gräfin, ich sehe, Sie rechnen auf etwas extrem Idyllisches und erwarten, wenn wir angelangt sein werden, einen Mischling von Kiosk und Hütte. Da harrt Ihrer aber eine grausame Enttäuschung.“ Mit diesen Worten bereitet in Theodor Fontanes Roman „Stechlin“ (1899) der Kutscher Robinson feine Damen auf die Ankunft am „Eierhäuschen“ vor.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte das Ausflugshäuschen am Treptower Park einen Ruf als „sogenanntes Lokal“. Kommt man heute spazieren gehend oder joggend an dem roten Backsteinbau vorbei, ist es nicht schwer, sich vorzustellen, wie es wohl früher einmal zugegangen sein mag. Besonders herrschaftlich ist das Haus nicht mehr: Das Dach sackt an der rechten Seite ein. Die Mauern, die durch den Hauptbau verdeckt werden und die man nur sieht, wenn man ein paar Schritte um das Haus und den ordentlich aufgestellten Bauzaun macht, bröckeln schon Jahre vor sich hin. Eingeschlagene Scheiben, Graffiti an den Wänden, überall Müll in den Ecken – manch einer geht wohl einfach an dieser „Bruchbude“ vorbei. Ein paar bleiben jedoch stehen und können den Blick erleben, den man über den Fluss hat, wenn man an der Treppe zum Eingang steht. Wenn man sich umdreht und den Kopf in den Nacken legt, blickt man direkt auf den Turm und das Namensschild über dem Eingang, das liebevoll verziert den Namen dieses kleinen Idylls trägt: Eierhäuschen.

Die Herkunft des Namens ist nicht eindeutig geklärt. Es kursieren zwei Versionen der Namensgebung. Die eine geht auf die Eier zurück, die der Besitzer des alten Eierhäuschens an Spreeschiffer verkauft haben soll. Die andere bezieht sich auf den „Eierstock“, der das Preisgeld bei einem Ruderwettbewerb gewesen sein soll. 1869 brannte das Haus zum ersten Mal, 1890 fiel das Fachwerkhaus einem erneuten Brand zum Opfer. Die roten Ziegel, die nun nach und nach und in bedrohlicher Geschwindigkeit der Witterung zum Opfer fallen, stammen von damals. Bis 1960 noch wurden hier Spaziergänger bewirtet, später sanierte man Teile des Häuschens und wickelte dort in idyllischer Abgeschiedenheit die Verwaltung des Kulturparks Plänterwald ab. Nach der Wende ging das bröckelige Haus an den Betreiber des direkt daneben gelegenen Spreeparks, von dem nicht mehr übrig ist als ein paar umgefallene Dinosaurier, auf dem Trockenen sitzende Schwanenboote, riesige Schuttberge und ein Riesenrad, auf das der Blick von der S-Bahn aus fällt.

Seit der Insolvenz der Spreepark GmbH 2001 kann das Eierhäuschen nicht aus der Liegenschaft Spreepark gelöst und zur weiteren Sanierung und Nutzung verkauft werden. Vereine und Bürger fordern dies, auch die Stiftung Denkmalschutz Berlin hat das Eierhäuschen auf dem Plan. Noch dämmert es weiter vor sich hin. Einziges Lebenszeichen sind der Bauzaun und ein Wachmann, der mal eben mit dem Auto angefahren kommt, wenn sich ein Spaziergänger etwas länger am Haus aufhält.

Das Eierhäuschen ist einer dieser vielen Orte in der Stadt mit dem Charme vergangener Zeiten und einer ungewissen Zukunft. Vielleicht wird das Potenzial des Eierhäuschens leise zwischen Ämtern und ungeklärten Zuständigkeiten versikern. Wenn man noch lange wartet, wird es jedenfalls nicht mehr möglich sein, das baufällige Kleinod zu retten. Dann wird es vielleicht noch eine Abrisssubventionierung geben und am Ende wird man nicht mehr staunend vor einem Stück Stadtgeschichte, sondern vor einer Imbissbude im Wohnwagen stehen. Berlin sollte mehr achtgeben auf die Plätze, die viel zu seinem guten Ruf beigetragen haben. Und darauf, sich nicht zu sehr zurechtschneiden und glätten zu lassen. Sonst ist irgendwann nichts mehr übrig von dem Alten. Schließlich wusste schon der alte Fontane: „Berlin ist nicht reich an Privathäusern, die Schönheit und Eigenart in sich vereinigen.“ LISA RANK