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dvdeskEine große Popcorntüte voll Fun

„Fight or Flight“ (USA 2024, Regie: James Madigan). Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich.

Das geht ja gut los. Blick in den Himmel, in ein Flugzeug, in dem weiß Gott in medias res die Hölle los ist: Handgemenge aller gegen alle, Schläge, Tritte, Blut spritzt, ein ordentliches Loch wird in die Flugzeughölle gesprengt, auch ist eine Kettensäge im Spiel. Dazu aber liebliche Walzermusik, „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss wie einst im All bei Stanley Kubricks Weltraumoper „2001“. Ernst meint er das hoffentlich nicht.

Er: James Madigan, Regisseur. Einer, der es in Hollywood aus der hinteren Reihe ans Steuer dieser Actionkomödie geschafft hat. Bislang vor allem Credits als Special Effects Supervisor, zuletzt viel Second-Unit-Regie. Im Studiosystem gab es Hocharbeiter-Karrieren dieser Art öfter, heute ist das eine eher ungewöhnliche Sache. Die Bewährungsprobe, „Fight or Flight“, ist ein mittleres Ding, sicher nicht A, eher B. Ganz gewiss nicht „2001“, eher „Snakes on a Plane“. Ohne Schlangen. Mit Kampfsport. In den USA kurz mal im Kino. Hierzulande dann DVD-Start.

Der Elevator-Pitch ging vermutlich in Richtung „Bullet Train“, der Zug-Action-Hit mit Brad Pitt, aber hoch in der Luft und Josh Hartnett als Pitt. Mit blonden Haaren wie dieser und körperlich noch einmal fitter. Mit Hartnett ging es seit dem großen Durchbruch 2001 in der Tendenz eher bergab als bergauf (Bild-Schlagzeile letztes Jahr: „Einstiger ‚Pearl Harbor‘-Schnuckel. Darum verschwand Josh Hartnett aus Hollywood“), zuletzt hatte er aber wieder ganz gute Rollen, etwa in M. Night Shyamalans „The Trap“, und war sogar, wenn auch nicht in vorderster Front, in Christopher Nolans „Oppenheimer“ zu sehen.

Das also ist das Vehikel, in das man sich setzt. Steuermann unbekannt, Top-Star ein wenig abgehalftert. Und dann sieht der Plot allen Ernstes (fragen Sie nicht) auch noch vor, dass ein ganzes doppelstöckiges Interkontinentalflugzeug mit sich bekämpfenden Kampfsportgeübten gefüllt ist. Dunkelmänner aller Art, die bald an der Decke kleben, Business-Class-mäßig durch Passagier- und Frachträume fliegen, Kopf, Arme, andere Körperteile verlieren, eine Dezimationsorgie sondergleichen. Dazu spielt der heftige Punk von The Clash.

Und immer kommt noch was nach, von der asiatischen Kill-Bill-Frauen-Truppe zu schweigen (das sind die Guten). Aber klar, in „Bullet Train“ steigen unterwegs manche Widersacher noch zu. Das geht in diesem Fall nicht. Es ist im Übrigen fast ein bisschen viel Plot, aber am Ende fällt er dann doch nicht zu sehr ins Gewicht. Erwähnt sei noch, dass als Gegenspielerin auf Erden Katee Sackhoff im Spiel ist, die Menschen guten Geschmacks als Starbuck aus „Battlestar Galactica“ verehren. Nach diesem frühen Höhepunkt leider auch eher Karriere im Sinkflug.

Das Schöne: All das ist eine große Popcorntüte voll Fun. Neben Hartnett gibt Charithra Chandran eine geistig sehr überlegene Zweitprotagonistin, die Absurdität eines Flugzeugs als Füllhorn nicht versiegender Gegner hat ihren eigenen Liebreiz. Und Regisseur Madigan kriegt als alter Second-Unit-Mann nicht nur die Kampfszenen wirklich mehr als ordentlich hin. Für das nie überbordende Dazwischen pfeift er auf jeden Rest-Realismus. Allein wie der Himmel am Ende der kurzen Vorgeschichte in Thailand (fragen Sie nicht) in samtenes Dunkelorange eingefärbt ist

Kurzum: Wenn man mit der Wirklichkeit mal so richtig gar nichts am Hut und dabei grimmigen Ab-18-Spaß haben will, dann macht man mit dieser unglaublichen Reise in einem verrückten Flugzeug garantiert nichts verkehrt. Und nicht nur der Anfang, auch das Ende ist lustig und schön. Ekkehard Knörer

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