dvdesk: Not exactly hot and sexy
Die wahre Geschichte der Frau, die Briefe berühmter Autoren fälschte
„Can You Ever Forgive Me“ ist die Sorte Film, die man Hollywood in seinem aktuellen Blockbuster-Delir gar nicht mehr zutraut: Die ernsthafte Verfilmung eines Buchs, das kein großer Bestseller war, das von einer Frau stammt und handelt, die kaum jemand kennt. Eine lesbische Heldin um die fünfzig, noch dazu höchst ambivalent, gespielt von Melissa McCarthy, die man bisher in erster Linie als Komödienstar kannte. Von Kostüm und Maske ins Mausgraue verschattet, „not exactly hot and sexy“, wie sich die Heldin Lee Israel im Film selbst beschreibt. Das Ganze spielt noch dazu im New Yorker Literatenmilieu und erzählt eine Geschichte, deren Erregungswert sich außerhalb von Memorabilienhändlerkreisen in Grenzen hält.
Es war wohl schwierig genug, das Projekt auf die Beine zu stellen. Ursprünglich sollte Nicole Holofcener die Regie übernehmen (sie ist neben Jeff Whitty auch die Drehbuchautorin), Julianne Moore die Hauptrolle spielen – mit Moore kam es zu „kreativen Differenzen“, so wurde sie durch Melissa McCarthy ersetzt. Nun aber existiert dieser Film doch, eine Produktion mit moderatem Budget, mehr als solide gemacht, die Oscar-Ambition sieht man der Angelegenheit an, aber das ist kein Schaden. Melissa McCarthy und Richard E. Grant wurden nominiert, kein Wunder, sie zeigen, was sie können, es bleibt im Dienst der Sache, auch wenn Grant seinen schwulen Glücksritter Jack Hock reichlich flamboyant anlegt.
Die Geschichte ist diese, sie ist wahr: Lee Israel hat als Autorin von Biografien mehr oder minder berühmter Frauen (Tallulah Bankhead, die Schauspielerin, ist eins der Objekte) reüssiert, aber dann den Fehler begangen, eine noch dazu schlecht geschriebene unautorisierte Lebensgeschichte der Beauty-Produkt-Milliardärin Estée Lauder zu verfassen. Das wird ein Flop, der Betrieb wendet sich ab, Israel ist nicht nur stur, sondern auch schroff, lebt allein beziehungsweise mit Katze, auch wenn sie ihre Ex-Partnerin Elaine mit Anrufen drangsaliert. Alkoholikerin ist sie noch dazu, ihre Agentin weist ihr die Tür, sie ist mit der Miete im Rückstand, da kommt ihr eine Idee.
Israel fälscht Autografen. Briefe berühmter Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Dorothy Parker, Noel Coward (ein paar gelangen sogar in eine offizielle Briefausgabe des Autors), Marlene Dietrich, Lillian Hellman und anderer. Sie macht das sehr sorgfältig, à la Kujau: besorgt Papier, das sie im Ofen nachbräunt, und Schreibmaschinen, die sie den Verfasserinnen historisch korrekt zuordnen kann. Sie trifft den Ton, ich bin die bessere Dorothy Parker, sagt sie einmal, und das will was heißen, und eine gute Brief-Parker ist sie gewiss. Die Sache funktioniert eine Weile, im Lauf weniger Jahre verkauft sie rund 400 falsche Briefe an einschlägige Händlerinnen und Händler.
Es geht nicht lange gut. Sie kommt mit Hausarrest davon, arbeitet von nun an im Korrektorat eines Verlags – und schreibt an dem Buch, auf dem der Film nun beruht: In „Can You Ever Forgive Me?“ erzählt sie ihre eigene Geschichte. Marielle Heller gibt dem Ganzen eine leicht nostalgische Schlagseite, das New York der Neunziger scheint in seinen warmen Farben recht Woody-Allen-haft, aber sie übertreibt es auch nicht. McCarthy balanciert ihren Charakter wirklich gekonnt zwischen Nervensäge und bewundernswerter Resilienz.
Noch wenn Lee Israel einen Schwarz-Weiß-Film im Fernsehen sieht, ist es „Little Foxes“, mit Bette Davis, nach Drehbuch von Lillian Hellman. Als wenig geschöntes Porträt einer nur bedingt liebenswerten Heldin, aber auch als konsequente Hommage, die die Namen von Parker und Hellman und Edna Ferber wieder in Umlauf bringt, ist „Can You Forgive Me?“ Lob und Preis wert. Ekkehard Knörer
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