die wahrheit: chinesen am sack

Der Untergang des Schweizermesser: Die Armee der Helvetier musste ihren Auftrag für neue Exemplare weltweit ausschreiben. Der billigste Anbieter kommt aus Fernost.

Haben zu viele Gimmicks das Messer fürs Militär zu teuer gemacht? Bild: dpa

Für die Schweizer kommt es knüppeldick. Vor einiger Zeit setzte das Management der Swissair den ganzen Laden so in den Sand, dass die Lufthansa ein Schnäppchen machen konnte. Dann wurde bekannt, dass der Nationalfeiertag am 1. August auf dem "Rütli", wo vor über 700 Jahren die Schweiz gegründet worden sein soll, nur stattfinden kann, weil private Sponsoren die Kosten für die Sicherheit zur Abwehr von Rechtsradikalen übernehmen. Der nächste Schlag für die stets "wehrhaften" Schweizer folgte vor zwei Wochen (siehe Wahrheit vom 18. 7. 2007): die Soldaten bekommen zwar noch ihr Sturmgewehr mit nach Hause, aber keine scharfe Munition mehr, womit das Überleben untreuer Ehefrauen und bissiger Schwiegermütter gefördert wird.

Und jetzt geht es dem roten "Schweizer Messer" an den Kragen. Offiziell heißt es "Soldatenmesser 61" und ist metallfarben. Im Schweizerdeutsch nennt man es nicht "Taschenmesser", sondern nach dem Aufbewahrungsort "Sackmesser". Die rote Version heißt "Offiziersmesser", wird vermarktet und hergestellt von der Firma "Victorinox" in Schwyz, dem schweizerischsten aller Schweizer Kantone.

"Armasuisse", das Beschaffungsamt der Armee, ein Ort der Skandale und Schildbürgerstreiche wie in allen Ländern, musste das neue "Soldatenmesser 61" wegen des Auftragsvolumens nach den Regeln der "World Trade Organization" (WTO) weltweit ausschreiben. Und damit begann, was die Neue Zürcher Zeitung kürzlich unübertrefflich den "Eiertanz um eine Sackmesser-Ausschreibung" nannte. Dass man ein verbessertes "Soldatenmesser 61" braucht, war für die helvetischen Militärs sonnenklar, seit Bin Ladens Leute mit Teppichmessern unterwegs sind. Das messermäßige Gleichgewicht war empfindlich gestört.

Der freie Handel birgt ein Risiko. Manchmal gewinnt der günstigste Anbieter. Und das war in diesem Fall einer aus China. Ein rabenschwarzer Tag für das Schweizertum. Völlig unvorstellbar, dass der eidgenössische Wehrmann mit einem klappbaren Chinesen am Sack beziehungsweise einem Sackmesser aus China durch die Alpen irrt und nach Feinden oder Bär Bruno Ausschau hält.

Nicht immer, wenn es Probleme gibt, schießen Schweizer. Manchmal greifen sie lieber in die Kasse und kaufen nicht einfach das Billigste, sondern das, was nach Schweiz riecht. Oder sie rufen nach einem Juristen. Zum Sackmesser-Fall meldete sich einer, der ebenfalls aus Schwyz stammt. Der reichte im Parlament eine "Sackmesser-Petition" ein. Er empfahl, das Werkzeug in eine Waffe umzudefinieren, dann liefen WTO und Chinesen glatt ins Leere. Schriebe man nämlich ein Messer mit arretierbarer Klinge aus, würde aus dem Werkzeug juristisch eine Stichwaffe, und diese fiele nicht unter die WTO-Regeln.

Hinter dem Schwyzer Sackmesser-Produzenten "Victorinox" steht nicht nur der Winkeladvokat, sondern auch die Schwyzer Justiz: Die belangte vor zwei Jahren den Besitzer eines Feuerzeugs mit ausklappbarer Klinge wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Jetzt müssen die Beschaffungsprofis der Armee nur noch die WTO von der Schwyzer Logik überzeugen, dann bleibt den Schweizern der Sack an der eigenen Waffe.

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