piwik no script img

die wahrheitWie ich einmal fast von Jens Lehmann in die Luft gesprengt wurde

Auf der Suche nach Terroristen bedienen sich die hysterischen Sicherheitsorgane einer Technik, die als "racial profiling" berüchtigt ist. Korrekt müsste es allerdings heißen: "racist profiling"....

... Denn nichts anderes als dumpfer Rassismus ist es, wenn man aufgrund seiner Herkunft und seines Aussehens verdächtigt wird. Doof ist es allemal, denn irgendwann werden Bin Laden und Konsorten kapieren, dass der arabische Arzt mit Vollbart einfach zu sehr Klischee ist, und dass man sich besser anderer Gefäße bedient, um sie mit Sprengstoff zu füllen. Zum Beispiel deutscher Promis. Denen traut man offensichtlich nix Böses zu, wie ich im vergangenen Jahr erfahren durfte.

Im August 2006 wollte ich ausgerechnet einen Tag, nachdem das Flüssigbomben-Flugzeug-Attentat in London verhindert wurde, von Heathrow nach Deutschland fliegen. Das Sympathische an den Briten ist, dass sie unfähig sind, mit Stresssituationen umzugehen. Sofort bricht ein gigantisches Chaos aus, von dem sogar die Italiener noch etwas lernen können und in dem auch die britische Höflichkeit nicht mehr funktioniert.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verschärft, was dazu führte, dass der Flughafen pittoresk kollabierte und fast alle Flüge abgesagt werden mussten, was man aber erst nach Stunden des Wartens erfuhr. Irgendwann wurde man nur noch angeschnauzt, manchmal sogar angeschrien, bis sich das Bodenpersonal schließlich komplett in Luft auflöste und man dumm und allein in der Gegend herumstand. Plötzlich, inzwischen war es 18 Uhr, ging die Fama, dass die nichtbritischen Fluggesellschaften im anderen Terminal den ganzen Tag (!) geflogen seien und auch immer noch starten würden. Augenblicklich schlug ich mich zum Lufthansa-Schalter durch, wo ich mir dann - unter Umständen, die ich aus Gründen der Selbstachtung an dieser Stelle nicht wiedergeben kann - den letzten Platz im letzten Flugzeug des Tages nach Düsseldorf erwimmerte.

Als ich dann endlich am Gate stand, entdeckte ich in der Schlange vor mir den Nationaltorhüter Jens Lehmann, der mit seinem Handy telefonierte, obwohl die Mobiltelefone schon längst abgegeben sein sollten, weil diese den Terroristen ja dazu dienen könnten, ihre Bomben zu zünden. Als ich kurz mal wegschaute, war Lehmann verschwunden. Einen Moment lang dachte ich, die Polizei hätte seinen Bombenzünder entdeckt und ihn verhaftet. Dann vergaß ich ihn wieder.

Als ich eine halbe Stunde später - nach "Schuhe aus, Mütze ab und nehmen Sie bitte einen Hub aus ihrem Asthmaspray" - im Flugzeug saß und auf den Abflug wartete, betrat Jens Lehmann als Letzter, mit seinem verbotenen Mobiltelefon in der Hand, die Maschine. Woraufhin ihn über 100 Augenpaare überrascht anstarrten. Schnell steckte er das Handy weg und lächelte verlegen. Aber irgendwas an diesem Lächeln machte mich misstrauisch. Ich stellte mir vor, was wäre wenn? Wenn sie ihn entführt und gehirngewaschen hätten? Wenn Lehmann während des Fluges einen kleinen Zettel aus seinem Strumpf zöge, auf dem stünde: "Jetzt!"? Ich nahm einen weiteren Hub aus meinem Asthmaspray und versuchte angestrengt, mich zu entspannen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!