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die wahrheitSchöner, deutscher, schnitzeliger

In Köln wird nun endlich die "Büyükbaba-Schäuble-Reform-Moschee" eingeweiht.

Erst das Gebet verleiht dem türkisch geprägten Ehrenfeld ein anmutig orientalisches Gepräge Bild: reuters

Der Ruf des Muezzin erschallt wie jeden Mittag über dem Kölner Stadtteil Ehrenfeld. "Hiermit distanzieren wir uns ausdrücklich von allen Gewalttaten, die im Namen des Islam begangen worden sein könnten. Wir bekennen uns zum Grundgesetz sowie zum koedukativen Schwimmunterricht. Aus aktuellem Anlass verurteilen wir heute außerdem den Abverkauf von hygienisch bedenklichem Dönerfleisch als zutiefst unislamisch. Und jetzt husch, husch, zum Gebet", singt die Männerstimme aus dem quäkenden Lautsprecher und verleiht damit dem türkisch geprägten Ehrenfeld auch akustisch ein anmutig orientalisches Gepräge.

Die Stimme gehört Ümit Gürültülü. Fünfmal am Tag steigt der Muezzin auf das Minarett der neuen "Büyükbaba-Schäuble-Reform-Moschee", um sich von den jeweils aktuellen Gewalttaten und Verfehlungen innerhalb der umma, der weltweiten Gemeinschaft aller Muslime, zu distanzieren. "Das schafft Vertrauen", kommentiert Gürültülü den neuen, gesetzlich vorgeschriebenen integrativen Gebetsruf, "wenn der Bürger schon im Morgengrauen hört, dass er keine Angst vor uns haben muss."

Nachdem der in Köln weltberühmte Schriftsteller ("Der Wombat und andere tierische Geschichten"), Islamkenner ("Archaische Hirtenkultur") und Fachmann für Koranexegese ("Lektüre des Schreckens") Ralph Giordano mit seinem couragierten Eintreten für ein friedvolles Miteinander der Weltreligionen ("Der Islam ist das Problem") das Öl der Vernunft ins Feuer der Auseinandersetzung gegossen hatte, entsannen sich auch andere gesellschaftliche Gruppen wie zum Beispiel die Kölner CDU-Fraktion ihres Engagements für eine offene und tolerante Gesellschaft und verhinderten den bereits beschlossenen Bau der Zentralmoschee in Köln, die der Ditib (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) beantragt hatte.

In einer turbulenten Sitzung verweigerte der CDU-Parteitag seinem Oberbürgermeister Fritz Schramma die Gefolgschaft und präsentierte in einem eigenen Beschluss ("C2") ihre Vorstellungen islamischer Religionsausübung. Dieses Konzept eines integrativen, genuin "deutschen Islams" wurde nun mit dem Bau der "Büyükbaba-Schäuble-Reform-Moschee" erstmals umgesetzt.

Das muslimische Glaubensbekenntnis (Schahada), das die Größe Gottes und Prophetie Mohammeds bezeugt, wurde um den Zusatz "Beide unterstehen dem deutschen Innenministerium" ergänzt; das Freitagsgebet wird auf besonderen Wunsch des konservativen Flügels der CDU nach tridentinischem Ritus abgehalten, die Predigt simultan ins Deutsche übersetzt und von Experten des Verfassungsschutzes bewertet. So entstehen auch neue Stellen für Altphilologen. Eine Publikumsjury aus prominenten Kölner Bürgern (Wolfgang Niedecken, Marie-Luise Millowitsch) hat zudem die Möglichkeit, langweilige oder unbotmäßige Imame sofort aus Deutschland herauszuwählen. Überhaupt sollen viel mehr plebiszitäre Elemente zum Einsatz kommen, wenn es um die Ausübung von Grundrechten geht. Davon verspricht sich die Kölner CDU eine "Belebung der politischen Landschaft" und die "Disziplinierung renitenter Minderheiten".

Um sich auch optisch der urgemütlich kölschen Umgebung ("Innere Kanalstraße") besser anzupassen, wurden die beiden ursprünglich geplanten, 55 Meter hohen Minarette der Moschee auf 102 Meter erhöht. So schließen sie bündig mit der Oberkante des benachbarten Telekom-Hochhauses ab und können zudem als Mobilfunkmasten genutzt werden. Dem Gebetsraum wurde statt des imperialen Kuppelbaus die wohltuend nüchterne Form einer verranzten Lagerhalle gegeben, wie sie seit jeher den Eingang zum Stadtteil Ehrenfeld in so reizvoller Weise prägen. Außerdem löst dieser vielfach bewährte Stil zeitgenössisch deutscher Moscheearchitektur weniger Ängste in der Urbevölkerung aus.

Um der Bildung von Parallelgesellschaften vorzubeugen und einheimischen Arbeitslosen den Anblick von türkischen Rechtsanwälten und Ärzten zu ersparen, wurde die Vermietung der großräumigen Gewerbefläche auf dem Moscheegelände streng quotiert, und so bietet der neue Shoppingbereich mit seinem farbenprächtigen Mix aus Kettenrestaurants und Franchise-Läden den anheimelnden Anblick einer x-beliebigen deutschen Fußgängerzone. Dem allseits gefürchteten Anblick eines "islamischen Disneyland" (Jörg Uckermann, CDU-Ehrenfeld) ist damit jedenfalls ein Riegel vorgeschoben.

Die neue Moschee wird von der Bevölkerung gut angenommen. Sogar der greise Kardinal Meisner, den lange ein "ungutes Gefühl" geplagt hatte, versprach, der neuen Moschee billig ein hübsches, kaum gebrauchtes Fenster aus kirchlichen Beständen zu überlassen. Auch das Einweihungsfest mit Bierstand, Schnitzeljagd und Hüpfmoschee war ein großer Erfolg, gab es doch den Alteingesessenen (aus Konya) und Neubürgern (aus Trabzon) des multikulturellen Stadtteils Ehrenfeld eine gute Möglichkeit, sich näher zu kommen und Vorurteile abzubauen. Die Zukunft des friedlichen Miteinanders der Religionen heißt von nun an Ehrenfeld.

CHRISTIAN BARTEL

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