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die wahrheitNeues aus Neuseeland - Angriff der Killer-Elstern

"Quardel ardel udel ardel wardel dudel" - wer diesen Kampfschrei hört, nehme sich in Acht. Jedes Kiwi-Kind kann die Tonfolge im Schlaf summen...

...denn noch mehr als vor dem bösen fremden Mann werden Neuseeländer stets vor dem bösen wilden Magpie gewarnt: einer besonders aggressiven Elsternart, die sich auf Babys in Tragerucksäcken, auf Postboten und Fahrradfahrer stürzt.

Jetzt ist gerade wieder Brutzeit. Was die Elstern wochenlang in einen regelrechten Blutrausch versetzt, gegen den Hitchcocks "Die Vögel" wie ein fröhlicher Kindergeburtstag wirkt. Von wegen "Neuseeland hat keine gefährlichen Tiere". Was sind schon die Giftschlangen und Krokodile Australiens gegen ein Wesen, das dich aus der Luft verfolgt, quardelt und wardelt und dudelt und dann gezielt mit dem Schnabel auf deinen Kopf niederstößt - vorzugsweise ins Auge? Irgendwann wird es Tote geben.

Eine Rennradfahrerin aus Christchurch war es leid. Wenn sie zwischen Juli und September durch die malerischen Port Hills strampelt - eine 75-Kilometer-Strecke auf einer Passstraße rund um die Stadt -, wird sie ständig angegriffen. Besonders schlimm ist es am Gebbies Pass, wo die Straße steil nach unten führt - serbische Heckenschützen könnten nicht hinterhältiger sein. Wenn sie merken, dass man Angst hat, drehen die Viecher erst richtig auf. "Ich bin jedes Mal fix und fertig, weil ich weiß, dass sie sich auf mich stürzen", erzählte das Elster-Opfer. "Mit den Armen zu wedeln und zu schreien bringt gar nichts. Ich gerate völlig aus dem Gleichgewicht und auf die Straßenmitte - es ist total gefährlich."

In ihrer Verzweiflung wandte sich die Hobby-Sportlerin an die Stadtverwaltung, dann an die Umweltbehörde. An beiden Stellen war man ratlos. Schließlich griff die beherzte Frau - ihren Namen hält sie geheim, da sie Vergeltungsmaßnahmen von Vogelschützern befürchtet - zur Selbstjustiz: Sie heuerte einen Kammerjäger an, der Ungeziefer und Ratten zu bekämpfen weiß. Der rückte mit dem Luftgewehr an und brachte die Elstern am Gebbies Pass zur Strecke. 600 Neuseeland-Dollar war der Radlerin die Blutrache wert.

Dabei hätte sie es einfacher und billiger haben können. Magpie-Experten behaupten, dass das beste Manöver im Kampf gegen Elster-Attacken eine Papiermaske sei. Die solle man sich einfach verkehrt herum auf den Fahrradhelm setzen. Wahlweise helfe auch eine auf dem Hinterkopf getragene Sonnenbrille. Andere Tipps von entnervten Elster-Opfern stehen dem an Einfallsreichtum nicht nach: orangefarbene Jacken anziehen, ein großes Auge auf den Hinterkopf oder Helm malen, einen leeren Eiscreme-Behälter aus Plastik als Hutersatz tragen und mit einer Schwimmnudel aus Schaumstoff wedeln.

Besonders effektiv soll es auch sein, dem Vogel kräftige Beleidigungen entgegenzuschleudern. Menschliche Kampfschreie, am besten unsere ureigene Version von "quardel ardel udel". Doch all das Brüllen wird nichts nützen. Magpies merken sich nämlich nicht nur die Auslieferungsrouten von Postzustellern samt Uhrzeit, sondern auch Gesichter. Wer Feinde hat, sollte daher deren Visagen kopieren und im September als Maske tragen - auf dem Hinterkopf natürlich.

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