die wahrheit: Die katalanische Fliege
Er gilt als größter Entemologe Kataloniens: Prof. Dr. Jordi Bla hat sich an der Universitat de Barcelona mit einer preisgekrönten Arbeit über die "Spanische Fliege" habilitiert...
...Beim jährlichen Treffen der spanischen Insektenforscher-Vereinigung "entomología español" darf er die Tischkärtchen schreiben und auf ihren Exkursionen in die freie Natur auch schon mal die vereinseigene Becherlupe halten. Seit einem halben Jahr forscht Prof. Bla nun an der Universität Lüneburg über die gemeine Spargelfliege. Aber die interessiert mich weniger. Ich wolle sicher, errät Prof. Bla sofort, als ich mit ihm telefonisch Kontakt aufnehme, mehr wissen über die "Lytta vesicatoria", den die Spaßvögel seiner Zunft auch gern als den "VW unter den Käfern" bezeichnen. Da lacht der katalanische Insektenmann schmierig.
Und der erste Eindruck bestätigt sich. Nach wiederholtem Klopfen öffnet jetzt ein zotteliger, ungewaschen wirkender Vierschrot die Tür und lässt mich ein in seinen zwölf Quadratmeter großen Forscheralkoven. Ich nehme auf einer Apfelsinenkiste mit Büchern Platz, obenauf liegt Hermann Linders Klassiker "Biologie. Lehrbuch für die Oberstufe", und er breitet sogleich mit dem für seine Ethnie üblichen Gefuchtel und Geforkel sein imposantes Wissen aus.
"Die sogenannte Spanische ", er spuckt das Attribut fast aus, " Fliege ist ein kleiner länglicher Käfer von 9 bis 21 Millimeter Körpergröße mit einem lächerlich kleinen Piephahn." Er grinst schweinös. "Seine grün-metallische Färbung findet man hierzulande auch häufig auf dem Passat Variant." Ich lächle höflich. Dann verliert er sich in zoologischen Details, erklärt Verdauungsvorgänge, Paarungsverhalten und anderen uninteressanten Zinnober - nach einer Viertelstunde unterbreche ich seinen Sermon. Mir gehe es um das Pulver, das aus dem Käfer gewonnen werde und als natürliches Viagra "in gewissen Autonomen Gemeinschaften" häufige Verwendung finde.
Davon sei ihm nichts bekannt, erklärt er scheinbar gelassen. Aber ich habe das leise Flackern seiner Augen bemerkt. Also tische ich ihm noch ein paar knallharte Facts auf. Das Pulver führe zu einer massiven Reizung der Harnwege und bewirke dadurch eine enorme Erektion, höher dosiert gar einen ehrfurchtgebietenden, wenn auch schmerzhaften Dauerständer. Er zuckt nur mit den Schultern. Aber das Flackern wird wilder. Ich lege nach. Sogar Heinrich IV. habe bei seinem Gang nach Canossa einen 5-Pfund-Pfeffersack voller "Spanischer Fliege" mitgeführt, damit es ihm, wie sein Sekretär im später veröffentlichten Reisetagebuch "Uf gruosze kynningliche Swindelfahrt" protokolliert, "allzît jûckette in mîn wurmelin".
Er schüttelt stur den Kopf, schaltet auf Durchzug, aber ich konfrontiere ihn endlich mit dem Umstand, dass 94 Prozent der europäischen Produktion jenes "Schießpulvers", das beweisen neuere statistische Erhebungen, in dieser einen Provinz rechts oben auf der Spanien-Karte verbraucht wird. "Streut Ihr euch das aufs Butterbrot, oder was?" Prof. Bla zieht nun eine Schublade seines zugemüllten Schreibtischs auf und beginnt in aller Seelenruhe seine abgesägte Schrotflinte zu laden. Ach, herrje, und jetzt sehe ich auch, dass ich mich sputen muss. Mein Zug!
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