die wahrheit: Scharf auf Zukunft

Das deutsche Dummwort "zukunftsfähig" und seine alltäglichen Folgen.

Neulich wurde ich in einer Reportage mit dem Titel "GleisEpisoden" auf 3sat darüber unterrichtet, das Straßenbahnnetz der Kölner Verkehrsbetriebe sei "zukunftsfähig". Ein Straßenbahnnetz ist: zukunftsfähig? Fähig zur Zukunft? Fit für dieselbe?

Manchmal bedarf es eines erst auf den zweiten Blick verqueren Kontextes, einer sinnwidrigen Zusammenstellung zweier Wörter - wie jener von "Straßenbahnnetz" und "zukunftsfähig" -, um die allgemeine Nichtigkeit und Qualligkeit eines lange unauffällig gebliebenen Wortes zu erkennen, in diesem Fall eben des Wortes "zukunftsfähig".

Das zusammengesetzte Adjektiv "zukunftsfähig", dieses harmlos dreinschauende Kompositum, scheint heute in allen politischen und medialen Verlautbarungslagen unverzichtbar zu sein. Der Hinweis darauf, dieses oder jenes Konzept oder dieser oder jener Vorsatz verdeutliche, wie zukunftsfähig dies oder das doch sei - von der Nahostdiplomatie bis zum Friseurhandwerk -, unterstreicht, dass der Verantwortungsträger sich der ethischen Dimension seiner Pläne und Handlungen voll und ganz bewusst und im Sinne unserer Kinder und Kindeskinder überzeugungsstark einsatzbereit sei. Zukunftsfähig? Na klar! Aber immer!

"Wie zukunftsfähig ist die Globalisierung?", fragt etwa ein Papier der grünen Heinrich-Böll-Stiftung, und die SPD dürfte nach ihrem extrem historischen Parteitag mit Sicherheit auch wieder total zukunftsfähig, das heißt in der Lage sein, die Zukunft kraftvoll an sich zu reißen; zumindest behauptet das irgendwie der Vorsitzende der SPD Niedersachsen, wenn er erklärt: "Nur durch die Einbeziehung aller können wir sozial gerechte und leistungsfähige Konzepte entwickeln, mit denen Niedersachsen wieder zukunftsfähig wird."

Zukunftsfähig soll schlichtweg alles werden. Die deutsche Medizintechnik solls werden, das Gesundheitssystem solls werden, das Bundesministerium für Bildung und Forschung will den "Klimawandel in Regionen zukunftsfähig gestalten" und nennt das nämliche erhabene Programm oder Projekt selbstverständlich "KLIMZUG".

Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie ist da schon weiter und verkündet: "Bayern - wachstumsstark, innovativ, zukunftsfähig", und dito der Chefredakteur der Zeit, Giovanni di Lorenzo, hält "Print für zukunftsfähig" - na, denn mal toi, toi, toi!

Nur Brummbahnchef Hartmut Mehdorn mag in Anbetracht des wackelnden Börsengangs seines Unternehmens das Wort "zukunftsfähig" offenbar nicht in den breiten Mund nehmen, keine der schon sehr zukunftsfähigen Internet-Suchmaschinen will da Belege liefern. Während ein kürzlich runtergerobbtes Symposium an der TU Darmstadt zu dem Schluss kam: "Die Entwicklung, Planung und Erstellung von zukunftsfähigen Bauwerken bedeutet eine große Herausforderung für das gesamte Bauwesen."

Es ist indes nicht allein so, dass sich einem beim Tippen dieses auf dem unerbittlichen Vormarsch befindlichen neuen Gratis- und Idiotenwortes recht rasch die Hände verkrampfen; die ganze wichtighuberische Zukunftsgeilheit, dieser omnipräsente Zukunftsfetischismus, verweist, möchte man mutmaßen, auf etwas Prinzipielles. Denn genügt es heute nicht mehr, auch einfach mal bloß die plumpe, matte, allzu glanzlos der Zukunft entgegenstehende Gegenwart zu meistern oder halbwegs würdevoll auszuhalten?

Nun, das wird es wohl sein: dass die Durchschnittsdepperl wie Sie und ich im Zuge der grassierenden Vernarrtheit in die Zukunft über die harmvolle Gegenwart hinweggetäuscht und an der Nase herumgeführt werden sollen. Nicht neu, dieser mediale Trick - aber immer wieder eine gegenwartserhellende Freude, der Sprache dabei zuzusehen, wie sie uns für dumm verkauft.

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kari

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