die wahrheit: Der Weihnachtstaliban
Die aktuelle Nikolauskritik.
Was hat dieser Nikolaus genannte Mann eigentlich im Kinderzimmer zu suchen? Schon die Farbe der Arbeitskleidung ist unzeitgemäß, das tragen nicht einmal mehr Kommunisten, so denn noch welche existieren, sondern maximal die Roten Teufel vom Betzenberg, und die sind stark abstiegsgefährdet. Jedes Kind kennt mittlerweile den vermeintlichen historischen Ursprung: In den Dreißigerjahren gab es diese Cola-Reklame, in der dieser Kerl mit roten Klamotten herumsprang. Das wird heute eher als zweifelhafte Vergangenheit bewertet, ein rotes Tuch für jeden anständigen Haushalt!
Nikolaus angeblich sein Name. Klingt auch nicht vertrauenerweckend, erinnert an Nikotin und Laus im Pelz. Könnte ebenso gut ein Stammkunde der Nichtsesshaftenhilfe sein, der schon mal einen gepflegten Stiefel vertragen kann. Oder eben das strikte Gegenteil: ein Fundamentalist! Dieser talibaneske Bart! Dieses unablässige Ereifern: Ständig macht er wildfremden Menschen Vorhaltungen, um sie dann mit Zankäpfeln und Kopfnüssen zu demütigen. Das Ganze eher amateurhaft in der Performance. Aber von den Fundis weiß man: Es ist noch kein Meisner vom Himmel gefallen.
Neuerdings versucht er sich bei den Eltern über die Ökoschiene ranzuwanzen, mit Dinkel-Vollkorn-Plätzchen und frischem Obst. Dabei hat sein Elektroschlitten nicht einmal einen Rußfilter! Das ist aber noch nicht alles!
Des Nikolausens Vorliebe für Stiefel - wieso hat sich darüber nie jemand echauffiert? Der Nikolaus - ein Schuhfetischist? Von Tür zu Tür eilt er, um in michaeljacksonhaftigster Art kleine Kinder auf seinen Knien herumrutschen zu lassen - warum regt sich da nirgends Argwohn, gerade in diesen Zeiten? Und die Rute, was sagt die Rute über seine Persönlichkeitsstruktur aus? Hat er einen Rutenplaner? Haben wir es mit einem ordinären Flagellanten zu tun, ist der Nikolaus bloß ein schlichter Perverser? Knüppel aus dem Sack - das bedarf wohl keines Kommentars! Und wofür der Schornstein ein Symbol ist, muss nicht näher erläutert werden. Vom Weihnachtsbaum über den Tannenzapfen zum Zapfenstreich sind es nur winzige Schritte.
Selten sieht man ihn allein, sein ständiger Begleiter ist männlichen Geschlechts! Gut, da mag man heute ganz offen drüber sprechen können, aber taugt der Mann trotzdem als Rollenmodell? Sein Helfershelfer ist obendrein Knecht: Sklavenhaltung im 21. Jahrhundert! Und das wollen Respektspersonen für Heranwachsende sein? Wahrscheinlich kriegen viele Erwachsene bei seinem Anblick nur deshalb keine hysterischen Zustände, weil die Bärte dieser Gesellen sie entfernt an ZZ Top erinnern. Aber was ist mit den Kindern, die obendrein Gefahr laufen, sich an seiner Kunstbehaarung einen fiesen Ausschlag zu holen?
Auf keinen Fall gehören diese Fieslinge in die Hände Jugendlicher beziehungsweise umgekehrt! Wird Zeit, dass mit diesem Burschen mal jemand ordentlich Schlitten fährt. Warum macht der das alles? Wegen des Geldes sicher nicht, die Flocken macht er mit seinen Fanartikeln. Vielleicht ist es für ihn nur eine Beschäftigungstherapie? Nicht auf unserem Rücken! Hier ist der Gesetzgeber gefordert: Der Teufel soll den Nikolaus ho-ho-holen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!