die wahrheit: Der Skandal im Inzestskandal
Die Ferndiagnostiker.
Noch widerwärtiger als Inzest und die boulevardeske Aufbereitung solcher Fälle sind die Ferndiagnostiker, die sich prompt zu Wort melden. So auch im neuesten Inzestfall von Amstetten. "Nach Ansicht des Psychiaters Reinhard Haller", schreibt dpa, "hat der verdächtige Vater im Inzest-Skandal in Österreich einen Machtkomplex. Josef F. sei vermutlich von ausgeprägtem Narzissmus und dem Drang, Macht über andere auszuüben, angetrieben worden." Schon das Wort "vermutlich" ist eine Obszönität, denn der Psychiater Haller hat den Verdächtigen nie gesehen oder gesprochen. Dass ein Täter, der Schwächere unterdrückt, den "Drang hat, Macht auszuüben", ist schon ein sensationeller Befund. Und dafür muss man studieren? "Die Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith erklärte", schreibt dpa weiter, "F. habe im Grunde genommen zwei verschiedene Persönlichkeiten: eine im Untergrund wirkende und eine andere, die an der Oberfläche existiert habe." Hat sie diesen Maulwurf mit dem Fernglas erkannt? Was für eine brillante Analyse von zwei Telepathen im Tiefflug. Das ist Psychiatrie heute.
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