die wahrheit: Total behämmert
Kleine Philosophie des Hammers: Wesen und Wirken eines Symbols für Macht und Kraft.
Ursprünglich meinte das griechische Wort Symbol "das Zusammengesetzte" und bezeichnete in der Antike ein durch Boten überbrachtes Erkennungs- oder Beglaubigungszeichen zwischen Freunden oder Vertragspartnern. Diese Bedeutung hat sich erledigt, denn uns hat man erst den Reisepass und dann die maschinenlesbaren Dinger mit biometrischen Daten beschert. Da soll noch einer behaupten, Fortschritt sei passé. Aber schon seit langer Zeit bedeutet Symbol "Gleichnis", "Sinnbild", "Zeichen" oder "einen Gegenstand, der stellvertretend für einen anderen, nicht wahrnehmbaren geistigen Sachverhalt" steht, wie Dudens "Großes Fremdwörterbuch" weiß.
Früh wurde der Hammer mit dem germanischen Gott Donar (Thor) zusammengefügt und zum Symbol für Macht und Kraft erklärt. Der wilde Antisemit Theodor Fritsch gründete 1902 die Zeitschrift Der Hammer - Blätter für deutschen Sinn. Auch der Donnerstag hängt wortgeschichtlich mit dem Gott Donar und seinem Hammer zusammen. In der christlichen Umdeutung wurde der Hammer zum Fruchtbarkeitssymbol - in Marienkirchen. Was die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria mit dem Hammer zu tun hat, ist allerdings das Geheimnis der Theologen.
Friedrich Nietzsche begann, wie er 1888 schrieb, "mit dem Hammer zu philosophieren". Sicher ist, dass es mit seiner Gesundheit danach abwärts ging - syphilisbedingt. Auch Lenin lebte nicht mehr lange, nachdem Hammer und Sichel als Symbol für das Bündnis von Arbeitern und Bauern 1922/23 auf der sowjetischen Staatsflagge vereint worden waren. Und die Flagge wanderte 1991 ins Museum oder auf den Müll. Der Exkanzler und Gazprom-Gehilfe Gerhard Schröder trug, als er Fußball spielte, den Beinamen "Hammer". Wie lange er fußballerisch hämmerte, ist nicht bekannt, aber seine Kanzlerschaft verlief hammertypisch kurz und schief.
Außer mit dem Donnerstag kam mit dem Hammer als Symbol nichts Dauerhaftes zustande. Das sollte sich wohl ändern, als sich die "Kreativen" des Problems bemächtigten und das Symbol umfärbten. Vor Jahren vergoldeten sie Hammer und Sichel in einem Inserat, das für den Wertpapierkauf über das Internet warb. Die "Kreativen" verzierten die vergoldeten Instrumente mit Diamanten und fotografierten das Ensemble vor hellbraunem Hintergrund. Das Ganze sah aus wie eine aufgehende Sonne oder ein Abziehbild vom goldenen Zeitalter.
Die Frage unter dem Bild lautete: "Und wenn die Börse für alle einträglich sein sollte?" Die Börse? Für alle? Gar ein börsengestütztes goldenes Zeitalter für alle? Den Symbolen Hammer und Sichel war nicht einmal in vergoldeter Gestalt eine lange Haltbarkeit beschieden. Kurz nachdem das Inserat erschienen war, folgte der Börsencrash, mit dem Milliarden von Aktien von Internetspekulanten verbrannten. Des Praxistests an der Börse hätte es nicht bedurft, denn schon der Commonsense weiß, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Und warum muss sich der Fernsehzuschauer vor den Nachrichten täglich den "Bericht von der Frankfurter Börse" gefallen lassen - ohne Hammer zwar, aber von behämmerter Einfalt und ätzender Penetranz?
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