die wahrheit: Hunde, wollt ihr ewig wedeln?
Ein Kollege, mit dem ich jährlich um Weihnachten herum viele Stunden Arbeitszeit verbringen muss, da wir arm sind und die Kinder Schuhe brauchen, versüßt mir...
Ein Kollege, mit dem ich jährlich um Weihnachten herum viele Stunden Arbeitszeit verbringen muss, da wir arm sind und die Kinder Schuhe brauchen, versüßt mir mit seinen Geschichten momentan wieder den grieseligen Tag. Gestern erzählte er mir von einer Hausnachbarin in seinem Stadtteil Charlottenburg, einer Dame älteren Datums, deren Hund Bella ihn normalerweise begeistert mit Hundespucke vollkleistert, wenn sie sich im Treppenhaus begegnen.
Jene Nachbarin sei ihm also plötzlich ganz ohne Hündchen entgegengetreten, und auf Nachfrage seien ihr die Tränen nur so aus den faltigen Sehschlitzen gespritzt: Bella sei auf einmal dahingerafft worden, was soll sie jetzt nur machen, ohne Hund? Einen neuen kaufen, schlug mein Kollege pragmatisch vor. Aber das Problem sei doch, stieß die Frauchenwitwe schluchzend hervor: Wenn man einen kaufe, der seine besten Hundejahre bereits hinter sich hätte, also schon jenseits der zehn, dann könnte es passieren, dass der Köter vor seiner Besitzerin ins Gras beiße, und dann habe man ja wieder diese grässliche Verlusttrauer auszuhalten! Kaufe man sich aber eine süße tapsige Welpe, dann würde man sie ja eventuell als Waise zurücklassen müssen …
Wie mans macht, ist es verkehrt, brummelte ich darauf, und empfahl, auf ebay.japan oder ebay.nippon nach einem japanischen Roboterhund zu gucken, dieser Mischung aus Tamagotchi und R2D2, die liefen ja im Verkauf ziemlich scheiße und werden einem jetzt bestimmt hinterhergeworfen. So einen Roboterhund kann man schließlich einfach abstellen, wenn einem mummelig wird. Obwohl ich gar nicht weiß, wie es ist, wenn der Tod an die Tür klopft: Wird einem dann überhaupt vorher mummelig? Oder legt man sich abends gemütlich ins Bett, mit den Plänen für die nächsten drei Jahre säuberlich im Computerkalender, und dann wacht man am nächsten Morgen vom lauten Harfenspiel auf?
Außer Jopi Heesters fällt mir keiner ein, den man ernsthaft danach fragen könnte, und bei dem ist ja die Frau davor, und die guckt immer, als habe sie als Kind zu enge Söckchen angezogen bekommen. Oder hätte sich eine Dose Bier zu viel über die Frühstücksflocken gegossen.
Meine Nachbarn haben allerdings auch einen Hund, einen gutmütigen, falben Jagdhundbastard. Normalerweise darf man nur beigefarbene Pferde Falben nennen, aber ich nehms nicht so genau. Wenn mich der Hafer sticht, um im Kleppermilieu zu bleiben, dann sag ich sogar champagnerfarben.
Der Hund jedenfalls hat bei Professor Habakuk Tibatong in der Tieruni von Titiwu sprechen gelernt und begrüßt mich jeden Morgen im Treppenhaus mit einem schwanzwedelnden Hallo!! Ich geh jetzt raus!! Ich geh jetzt raus!!, denn dass Hunde der Sprache mächtig sind, vergrößert ja nicht unbedingt ihren sonstigen Intellekt, und so bleiben die Gesprächsthemen zwischen mir und dem Köter bei unseren kurzen Treppenplauschs meist recht übersichtlich: Dich kenn ich!! Dich kenn ich!! Oder: Wie riechtn das?? Wie riechtn das?? Oder: Ich muss mal!! Ich muss mal!! Aber ich genieße den Austausch trotzdem. Manchen Menschen habe ich auch nicht mehr zu sagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!