die wahrheit: Iren! Kauft nicht bei Engländern!
Heute ist es wieder so weit. Die Dubliner verstecken sich in ihren Häusern und warten, bis der Ansturm vorbei ist. Am 8. Dezember, dem Tag der unbefleckten Empfängnis..
Heute ist es wieder so weit. Die Dubliner verstecken sich in ihren Häusern und warten, bis der Ansturm vorbei ist. Am 8. Dezember, dem Tag der unbefleckten Empfängnis, schließen sämtliche katholischen Schulen, damit die Landeier zum Weihnachtseinkauf in die Hauptstadt können. Auf diesem Gebiet sind die Iren Europameister: Jede Familie gibt über 1.400 Euro zu Weihnachten aus. In Deutschland sind es nur gut 400 Euro.
Doch vielleicht verlagert sich die Einkaufsorgie diesmal nach Norden. Wegen der Rezession achten die Iren nämlich inzwischen auf die Preise, und die sind sehr unterschiedlich auf der Insel. Wer nach Nordirland fährt, spart zum Beispiel bei Flachbildfernsehern mittlerer Größe 300 Euro, bei irischem Whiskey ein Drittel. Selbst das Jersey der südirischen Fußballnationalmannschaft ist in Nordirland zehn Euro billiger.
Und die Südiren fahren in Scharen gen Norden, manche mieten sich sogar Lieferwagen für ihren Einkaufstrip. In der nordirischen Grenzstadt Newry herrscht täglich das Chaos, auf den riesigen Parkplätzen an den Einkaufszentren stehen die Autos Schlange. Einige Geschäfte tauschen einen Euro eins zu eins gegen ein Pfund Sterling. In Dundalk, wenige Kilometer auf der anderen Seite der Grenze, sind die Waren ebenfalls in Sterling und Euro ausgepreist, aber hier ist das Pfund 1,50 Euro wert. Wer allerdings in der britischen Währung zahlen will, hat Pech: Die meisten Läden akzeptieren kein Sterling, die Preisschilder sind Augenwischerei. Da nützt es auch nichts, dass die Stadtverwaltung für die Weihnachtszeit die Parkgebühren in der Innenstadt abgeschafft hat. Dundalk ist leergefegt.
Das ist dem irischen Finanzminister Brian Lenihan ein Dorn im Auge. "Wenn du in Nordirland einkaufst, zahlst du die Steuern Ihrer Majestät", sagte er. "Du zahlst nicht die Steuern in dem Staat, in dem du lebst." Der Mann hat Nerven. Seine Regierung hat während der vergangenen 20 Boomjahre Milliarden Steuergelder verschwendet, die Politiker haben sich die Taschen gefüllt und tun es weiterhin. Damit ihnen das Geld dafür nicht ausgeht, haben sie die Mehrwertsteuer auf 21,5 Prozent erhöht, während Ihre Majestät sie gleichzeitig auf 15 Prozent senkte. Eine Dubliner Zeitung stimmte Lenihan dennoch zu und führte den Pranger wieder ein: Das Blatt veröffentlichte vorige Woche die Nummernschilder der Autos, die die Grenze überquert hatten.
Auch die irischen Geschäftsinhaber betteln um patriotisches Kaufverhalten, damit keine Jobs verloren gehen - dieselben Leute, die ihre Kundschaft seit Jahren schröpfen und ihre maßlos überteuerte Ware mit den langen Transportwegen erklären, als ob Nordirland im Gegensatz zur Republik irgendwo im Herzen Europas liege. Und diese Geschäftsleute, die nun auf Patriotismus pochen, haben sich längst um billigere Lieferanten bemüht, die sie mit dem schwachen Pfund bezahlen können.
Umweltminister John Gormley von den peinlichen Grünen sagt, die Regierung müsse Wege finden, um den stetigen Fluss der Shopper nach Norden zu stoppen. Hätte man damals, als im Zuge des Friedensprozesses die innerirische Grenze abgeschafft wurde, den Engländern bloß die Grenzanlagen abgekauft.
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