die wahrheit: Der Jesus von Berlin

Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Wolfgang Huber ("Bubba")

Wolfgang Huber ist bekannt wie ein dicker Hund, selbst in höllischen Gegenden wie dem heiligen Land. Bild: ap

Nein! Gott ist kein ausgeleierter alter Mann, Jesus kein toter Hänger, der Heilige Geist kein Widerspruch in sich: Das ist die frohe Botschaft Wolfgang Hubers, in Seinem Zeichen evangelischer Erwachsenenbischof von Berlin-Brandenburg und Papst der deutschen Protestanten. Vom finnischen Wunderläufer Paavo Nurmi heißt es, dass er auch dann neunmal olympisches Gold eingetütet hätte, wenn er ohne Beine und Schuhe zur Welt gekommen wäre. Ähnliches gilt für Wolfgang Huber: Er wäre selbst dann Theologe geworden, wenn Gott noch gar nicht erfunden gewesen wäre. Das freilich hatte vor ihm schon Martin Luther besorgt. Alles andere besorgt seither Wolfgang Huber.

Entsprechend seiner Stellenbeschreibung sieht der Vorsitzer im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland immer und überall Gott, nicht nur um Mitternacht. Weit über die schmalen Grenzen seiner Kanzel hinaus ist der professionelle Gottesanbeter dafür bekannt, zu jedem Thema einen offenen Mund zu haben, egal ob zum Ladenschluss ("Einkaufen heißt Begegnen", so in etwa sein Statement), zum Tourismus ("Jesus im Ausland suchen. Protestantische Strandarbeit unter nackten Palmen", so ungefähr sein Beitrag in: Evangelische Zeitschrift für bedrucktes Papier, 31. 4. 2003), zum Fußball ("Torjubel als Gottesdienst", so über den Daumen gepeilt seine Rede zur WM 2006), wahrscheinlich auch zur Leichtathletik ("Weitsprung aus kirchlicher Sicht. Zur Frage gesegneter Beine", so halbwegs sein Grußwort zu den Bundesjugendspielen 1999), zum Kopftuchstreit ("Trug Jesus einen Hut?", so womöglich seine Predigt im Bernauer Hutgeschäft Bamme, 2008) und zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ("Jesus lebt, auch wenn wir sterben müssen!", so ggf. seine Begrüßungsrede am Flughafen Köln-Wahn für die am Hindukusch Gefallenen).

Wolfgang Huber füllt die Kirchenschiffe, bringt mit seinen Vorträgen die größten Säle zum Platzen, macht komplette Bücher voll; wohlbekannte Schmöker wie "Religion und Rheuma" (Hohlstedt 1992) oder "Unverzichtbare Theologie. Ihr Beitrag für Universität, Gesellschaft und Theologie" (Laberen 1976).

Kein Jesuswunder also, dass Wolfgang Huber bekannt ist wie ein dicker Hund, zumal er auch ungewöhnliche Wege geht: Er spielte eine Traumrolle in "Die linke und die flinke Hand Gottes", Alexander Kluge schrieb ihm die Titelfigur in "Der Theologe in der Zirkuskuppel: immer gut beraten" auf den Leib, doch die Rolle seines Lebens hatte er in der Verfilmung von Heinrich Bölls "Ansichten eines Clowns".

Dabei hatte, als er 1942 im damals elsässischen Straßburg geboren wurde, keiner unter seinen Eltern die Kirche auf dem Zettel, am wenigsten Vater Ernst Rudolf, der Hitlers bestes Pferd im Staatsrecht war und unter anderem das bahnbrechende Werk "Der Hund des Führers in verfassungsrechtlicher Sicht" niedergeschrieben hatte. Dass die Alliierten den Vater nicht umgehend einstampften, musste Gottes unerforschlicher Ratschluss sein und ließ Klein Wolfgang unverzüglich gläubig werden. In den ohnehin religiös kontaminierten Fünfzigerjahren lernte er auf Gott komm raus, bimste statt Wissenschaft Theologie und wurde Bestuhlter Professor in Marburg und Heidelberg.

Nebenher machte er sich mit allen dicken und dünnen Facetten des Lebens vertraut, um in jeder Angelegenheit mit seinem Schnabel klappern zu können. Er arbeitete als Pförtner in der Psychiatrie, machte eine Lehre als Käseverkäufer und besitzt seit einem Praktikum bei der Firma "X und U" auch ein Diplom als Gebrauchtwagenhändler. Dass er zudem als monatelanger Embryo genug Erfahrung mitbringt, um im Deutschen Ethikrat über Stammzellenforschung mitreden zu können, versteht sich. Ebenso versteht sich, dass Huber auch sonst ohne Scheuklappen auf jeder Hochzeit tanzt: Er spricht das Christliche Grußwort in der Umkleidekabine des VfL Schöneberg, nimmt die Winterschlussverkaufsandacht im Wuppertaler Kaufhaus Karstadt vor und verkündet das Wort Christi in der Morgenvesper des Bernauer Supermarkts Bolle - alles, um Kirche attraktiv zu machen für Menschen, wie es auf Evangelisch heißt.

Und höre, Huber spricht auch fließend Bürokratisch und Ökonomisch, lässt in den Kirchen und Domen für satte Luxuslimousinen mit eingebauter Gespielin werben, kennt sich mit "Themenmanagement und Agendasetting" aus wie der Weihnachtsmann im Einzelhandel und lebt "theologische Führungskompetenz" sowie "überzeugende Beratungskompetenz und seelsorgerische Amtshandlungskompetenz" vor, dass es nur so raucht. Denn wahrlich, Wolfgang Huber segelt gleich seinem Vater im vollen Takt der Zeit, nur dass sein Führer Gott ist.

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