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die wahrheitDie Fünf-Promille-Hürde

Wahlbetrunk im Wahllokal. Wer nüchtern wählt, ist selbst schuld. Hat sich mal jemand die Wahlplakate genauer angesehen, diese Riesentrümmer an den Straßen?

Am 27. September sollte der Wahl- und Trinkberechtigte sein Kreuz berauscht machen. Bild: ap

Wissen Sie überhaupt, dass in drei Wochen eine Bundestagswahl stattfindet? Nicht mitgekriegt? Nur im Biergarten gesessen? Wo keine Wahlplakate hängen dürfen? Weil die Trinker sonst vergrault werden?

"Es ist Wahlkampf, die wildeste, intensivste Zeit der Demokratie", schreibt der aktuelle Spiegel, und die Welt behauptete: "Ab 1. September wird die Wahl wieder spannend." Wieder? Wahl?

Was unsere Postenschiebervereine dem Volke heuer bieten, spottet jeder Beschreibung. "Ich will einfach mein Herz zu Ihnen sprechen lassen", plästert Herr zu Guttenberg ans Publikum hin, und Frau Merkel trägt vor: "Die Wahl ist wichtig, weil jede Bundestagswahl wichtig ist."

Wenn man sich die Kanzlerin so anschaut, scheinen wir bald vor der Entscheidung zu stehen: Untergang Deutschlands oder Kaiserinnenkrönung Merkels. Die laut dem US-Magazin Forbes "mächtigste Frau der Welt" führt Wahlkampf, wie Katzen ins Schwimmbad gehen. Also gar nicht. Würde man die Dame bei ihrem Mittagsschläfchen auf der Wiese vor dem Reichstag filmen, wäre das ergiebiger als ein Fernsehinterview mit ihr.

Dass kein Mensch einen Blick auf die Plakate werfen will, ist allzu verständlich. Tut mans trotzdem, tränen die Augen, und der Kopf schmerzt. Die Beipackzettel von Kopfschmerztabletten sind politischer als diese Sprüche. CDU: "Wir haben die Kraft für die Sicherheit unseres Landes." Aha. Stark. Kraft für Sicherheit. Das macht Freude. Oder Kraft "für starke Familien".

Steht da. Sonst nichts. "Wir haben die Kraft für starke Familien." Könnte man genausogut hinpinseln: "Wir haben Lust aufs Familienministerium und auf Dienstwagen." Und neben Merkels Konterfei liest man lediglich: "Wir haben die Kraft." Pluralis majestatis. Wir = Merkel. Man nennt es Demokratie.

Die SPD plakatiert: "Unser Land kann mehr." Mehr was? Mehr Arbeitslose schaffen? Mehr Geld drucken? Mehr Kriege führen? Mehr Wahlkampfplakate ertragen? Bestimmt. Denn die Grünen deklamieren: "Aus der Krise hilft nur Grün" - und schreien herum: "Mehr E-Wagen!" Nicht mehr Demokratie wagen. Mehr E-Wagen! Mehr Einkaufswagen! Das sähe man nach der Wahl zu gern: Millionen Bundesbürger schieben grünlackierte Einkaufswagen durch die Fußgängerzonen des Landes und skandieren: "Wir sind das Volk! Wir kaufen ein! Die Krise packt ein!"

Und die FDP? Dr. Westerwelle zeigt sich in glänzender Stimmung: "Deutschland kann es besser." Bessere Bildung zum Beispiel? Wenns zusammen mit den Gelben wieder aufwärts geht, ist auch wieder mehr Schotter für den Kauf von noch mehr Dissertationen da? Und welcher Professor hat den Westerwelle eigentlich promoviert?

Was also tun? Wen und vor allem: Wie wählen? Im Nürnberger Kunst- & Kurhaus Katana wurde eine löbliche, ja Rettung versprechende Initiative ins Leben gerufen, die auch der grandiose Komiker Matthias Egersdörfer schwer begrüßt: "Betrunken wählen". "Das schale Ritual der Stimmabgabe wird erneuert und gereinigt durch deinen volltrunkenen selbstlosen Urnengang", heißt es auf der Website www.betrunken-waehlen.de.

"Stolz und betrunken befreist du dich von der Herrschaft der politischen Klasse. Der Rausch allein vermag dich von der Schuld des Kollektivs zu befreien. Wir glauben, dass allein der Suff die Wahlkabine zum Altar der Aufrichtigkeit gerinnen lassen kann."

Zwar konstatieren die Initiatoren in einem Video: "So weit hat es mit Deutschland kommen müssen, dass man jetzt schon betrunken wählen muss", und erlaubt darf die Frage sein, ob sich eine Formulierung wie die "zum Altar geronnene Wahlkabine" der zügigen Zufuhr eines Tucher-Coolkeg-Fasses verdankt; doch wir wollen den "Beitrag zur affektiv-reflexiven Demokratieartikulation" nach Kräften unterstützen, indem wir bereits am nächsten Sonntag ab zwölf Uhr im Katana an der "öffentlichen Probe, Betrunken wählen' mit alles!" engagiert partizipieren.

Am 27. September brummen wir dann um elf Uhr morgens in den Biergarten, bleiben stramm hocken, stemmen zehn bis zwanzig Seidla, und um fünf, wenn die Synapsen Pogo tanzen und fast alle Lichter ausgeschossen sind, marschieren wir zum Altar der Aufrichtigkeit und zünden ein Kerzlein und den Wahlzettel an. Ja, "so macht Demokratie Spaß". Und dito "gemeinsames betrunkenes Briefwählen", das möchten wir nicht vergessen, "ist ein Riesenspaß und echtes Erlebnis für Exemplare der Art zoon politikon". Heißa!

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10 Kommentare

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  • H
    heine

    die lösung wär freibier, gewöhnt ist das volk ja frühschoppen...gibts irgendwelche verfassungsrechtlichen bedenken?

  • BB
    Bart Boerzel

    Gute Wahlplakate?

    Die gibt's doch HIER:

    http://netskater.net/Zweidabei.html

  • J
    Jarama

    Ich finde interessant, was die Piratenpartei so plakatiert:

     

    http://live.piratenpartei.de/bild/vertraue-keinem-plakat-informiere-dich

  • L
    Lunatuna

    Vielen Dank, für die Satire auf die lächerlichen und nichtssagenden Wahlplakate dieses Jahr. Die dreiste Inhaltslosigkeit die mir seit Wochen aus allen Richtungen entgegen und unter die Gürtellinie schlägt wäre anders nichtmehr zu ertragen. Zum Glück ist der Zirkus in ein paar Wochen vorbei und die Frau Merkel wieder auf 4 Jahre sicher im Amt, wenn das vereinigte Wahlvolk vor lauter plakativer Verwirrung sich der letzten Jahr erinnert und seine Meinung per Kreuzchen kundgetan hat: "Irgendwie wars so schlecht doch auch gar net und außerdem, die Anderen könnens sicher auch net besser..."

  • O
    ooops

    Da bin ich doch dabei.

    Und zwar mit:

     

    http://www.einewahl.de

  • G
    Gott

    Über die "Argumente" für einige Parteien habe ich mich schon seit längerem gewundert. Schön, dass es noch wem auffällt :-)

     

    "Aus der Krise hilft nur Grün" oder "Wir haben die Kraft - CDU" wird durch ständiges wiederholen genauso wenig wahr, wie ich zu einem Gott werde, indem ich ständig wiederhole: "Ich bin der Herr, dein Gott". Aber wenn man es oft genug wiederholt glauben es vielleicht doch irgendwann einige ;-)

  • W
    WilderWusel

    Hab mich ja schon immer gefragt,**warum** heisst es Wahl**lokal**,wenn`s da noch nichtmal was zu trinken gibt? Meine Forderung:Jeder,der wählen geht,bekommt einen Schnaps (oder auch zwei).Das erhöht die Wahlbeteiligung und bekanntlich sagen (in diesem Fall:wählen) Betrunkene und Narren ja die Wahrheit.Also dann:Prost!;-))

  • V
    vic

    Ja es ist zum Kotzen. Visuelle Umweltverschmutzung wo das Auge hinblickt. Sinnlos und ohne Aussage. Ein dummer Spruch jagt den Anderen.

    Das wird eine Wahl ohne Wahl, das Ergebnis steht fest, Umfragen und Prognosen sind überflüssig.

    Übrig bleibt Plakatmüll und diee erneute vierjährige Knechtschaft unter Geldelite, unfähigen MinisterInnen und einer unerträglichen Chefin des Ganzen.

     

    Aber nein, ich geh nüchtern wählen. Nüchtern und bewusst, um nicht zu versäumen mein Kreuz bei der Linkspartei zu machen. Wider die Dummheit.

  • S
    Soeren

    Absolut genial! Vielen Dank fuer diese treffliche Beschreibung dieser Wahlperiode und der darin auftretenden Lobbymarionetten.

  • AR
    Arne Rathjen

    GENAU:

     

    Ich wähl Angie weil ich gerne mit ihr einen

    saufen gegangen wäre.

     

    Gregor wähl icke, weil meene Mutta schon besoffen war ( !! ).

     

    Und wenn ick dann Kanzla wede, dann gehts richtig ab, echt und ohne Zutaten !!

     

    Daher gibt es nur eines:

     

    Wählt die ARP - der klare Weg in den blauen Himmel...morgens um 7. 00 Ihr.

     

    Freibier für alle !