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die wahrheitBöhmische Rhapsodie in Schwarz

Nehmen wir an, Swoboda hat uns die Wahrheit erzählt. Weshalb sollte man daran zweifeln?

Nein, vorläufig sehe ich keinen triftigen Grund, Argwohn zu hegen. Tatsächlich stammt seine Familie väterlicherseits aus Tschechien, genauer gesagt aus Böhmen, dieser Schluss lag für Spürhunde wie uns nahe, gleich einer reflexartigen Mutmaßung, des Namens wegen. Swoboda! Welches Verhängnis, welches Geschick welchen Ahnen an den Rand der Norddeutschen Tiefebene verschlagen hatte, war jedoch nicht zu ermitteln, jedenfalls nicht von uns.

Indes schilderte Swoboda in groben Zügen, warum er sich in Anbetracht der verschwindend spärlichen Zahl lebender Verwandtschaft notgedrungen um die Bestattung seines Onkels Karl zu kümmern habe, wohlgemerkt auf der Basis allseits leerer Kassen. Den Job zu übernehmen, galt ihm als Ehrensache und eine Art Reue, obwohl die Angelegenheit wahrscheinlich seitens des Staates, sei er noch so schlank, geregelt worden wäre.

Onkel Karl hatte unweit unserer kleinen Großstadt in einer Mansarde gedarbt, bis er den letzten Atemzug aushauchte. Dass der Leichnam erst entdeckt wurde, als Schwaden der Verwesung durchs Treppenhaus zogen, sei nur am Trauerrand angerissen.

Swoboda wiederum, ausgestattet mit somnambuler Tiefenschärfe, fahndete im weltweiten Netz nach günstigen Offerten. Herab flog eine Site namens ruhe-sanft-und-billig.de. Treffer! Zum einen war das inserierende Unternehmen in seiner Mutterstadt beheimatet, das andererseits ein "Discount-Angebot" unterbreitete. Für harmlose und bald zusammengeklaubte 685 Euro würden Karls Überreste in das Krematorium Vysocany nach Böhmen überführt, würde die "Einäscherungsgebühr incl. Aschenkapsel" beglichen und die Urne danach "durch uns in Deutschland auf einem Friedhof beigesetzt werden".

Naturgemäß war schnurstracks ein Link nach Tschechien anzuklicken, geradewegs zu dem angepriesenen Krematorium. Laut Eigenwerbung werde "das Objekt", womit das Ensemble gemeint war, "bewundert nicht von der hiesigen, sondern auch von der ausländischen Öffentlichkeit und trägt die Punze eines architektonisch sehr gelungenes Werks". Weitere Vorzüge des Krematoriums zwischen Leipzig und Prag? "Einäscherung ohne Bestellung der zusätzlichen qualitätsverbessernden Diensten verläuft bei uns spätestens bis 96 Stunden nach dem Empfang der verstorbenen Person." Wahlweise könnte der finale Transport zur anonymen Beisetzung auf dem Friedhof Hrusovany erfolgen.

Es wäre nun ein Leichtes, den unbeholfenen Werbetext hämisch zu verspotten. Dies sei dumpfen Sprach-Hygienikern vorbehalten. Nein, wir kehrten ein in die Schankwirtschaft "Zum Kelch", wo, wie unsere pedantische Recherche aufdeckte, der brave Soldat Schwejk zu zechen pflegte, und hoben etliche Gläser auf Swobodas Erfolg versprechenden, souveränen Plan. Im Gegenzug gab Swoboda das Motto seiner Aktion aus: "Den Vorfahren nachfahren". Und wieder zurück.

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