die wahrheit: Im Jahr des Ochsen
Deutsch-chinesische Namensverwirrnis.
Vor zwei Wochen las ich im Berliner Tagesspiegel einen Artikel, in dem es um eine Rede des chinesischen Premierministers Wen Jiabao auf dem China-Afrika-Forum in Ägypten ging. Der chinesische Premier, referierte der Autor, habe dort verkündet, die chinesische Regierung wolle künftig in verschiedenen afrikanischen Ländern mehr Geld in Sozialprojekte stecken, und schloss: "Offenbar will Jiabao damit den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die behaupten, China sei allein an Afrikas Rohstoffen interessiert." Nun mag das alles so sein wie beschrieben, dennoch enthält dieser Satz einen Fehler. Jiabao ist nämlich, anders als vom Autor gedacht, keineswegs der Nach-, sondern der Vorname des chinesischen Premierministers. Diesen Namensvertauschungsfehler macht die notorisch schlecht über China informierte deutsche Presse öfter, weil sich hierzulande noch nicht flächendeckend herumgesprochen hat, dass im Chinesischen der Nachname vor dem Vornamen steht.
Selbst dem beliebten Besserwisserorgan Titanic ist dieser Fauxpas einst unterlaufen. Im September 1990 erschien hier ein Startcartoon, der fragte, wer wohl "Hitler 90" werden würde? Verschiedene Vorschläge wurden gemacht, abgebildet war neben anderen Politikern auch ein gewisser "Xiaoping". Gemeint war der damals einflussreiche chinesische Politiker Deng, der mit Vornamen Xiaoping hieß. Diesen Fehler hatte sogar ich selbst mit zu verantworten, war ich doch zu diesem Zeitpunkt Redakteur des Magazins. Nun ist diese Vor- und Nachnamensverwechslung nicht besonders tragisch, auch wenn die Tagesspiegel-Leser es sicher seltsam finden würden, wäre in dem Blatt nur noch von Bundeskanzlerin Angela die Rede oder vom französischen Staatspräsidenten Nicolas.
Aber erstens kommen auch die Chinesen bei der Reihenfolge westlicher Namen durcheinander, so dass ich in China bereits öfter auf Einladungen als "Mr Christian" firmierte. Und zweitens tragen sie zur allgemeinen Namensverwirrung bei, indem sie auf Klingelschildern, Buchtiteln oder Visitenkarten selbst die klassische chinesische Namensreihenfolge vertauschen, kaum halten sie sich im Westen auf. Dann weiß ein Laie wirklich nicht mehr auf Anhieb, was bei Frau Liu Yang der Vor- und was der Nachname ist. Mindestens ebenso kompliziert ist es, wenn sie zu ihrem chinesischen noch einen englischen Vornamen tragen, wie der Hongkonger Gesundheitsminister York Chow Yat Ngok. Hier ist dann der Nachname Chow vom englischen und chinesischen Vornamen in die Zange genommen worden.
Wer sich nun öfter im chinesischen Kulturkreis aufhält, aber auch zuweilen im westlichen, der ist gut beraten, sich ein schönes Mittelinitial zuzulegen, das weder echter Vor- noch Nachname ist. Wenn man dieses dann zu seinem interkulturellen Ersatznamen macht, vereinfacht das die ganze Chose. Auch der Tagesspiegel wäre damit wieder aus dem Schneider, vorausgesetzt, er schriebe künftig weniger über chinesische Premierminister, sondern besser mehr über mich: Herrn Ypsilon.
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