die wahrheit: In Zeiten enger geschnallter Gürtel
Im Zuge des Gürtel-enger-Schnallens hatte meine Zahnärztin mir vorgeschlagen, statt einer teuren weißen Porzellankrone (oben rechts 1) vielleicht doch eher eine günstige Holzkrone zu nehmen ...
Im Zuge des Gürtel-enger-Schnallens hatte meine Zahnärztin mir vorgeschlagen, statt einer teuren weißen Porzellankrone (oben rechts 1) vielleicht doch eher eine günstige Holzkrone zu nehmen, und ich muss sagen: Beim Putzen fühlte sich das Mahagoni zwar anfangs noch ein wenig eigenartig und samtig an, aber ich habe mich schnell dran gewöhnt und poliere jetzt immer noch ein bisschen mit Poliboy nach. Mahagoni wollte ich mir dann doch gönnen! Spanholz ist nichts für mich. Und Moos hat bei mir kaum eine Chance, denn das Zahnzwischenraumreinigen ist meine zweite Natur, nur nach längeren Nächten kann es schon mal vorkommen, dass ein ganz, ganz leichter grünlicher Schimmer aus dem Mund herausscheint.
Auf besonderen Wunsch, erzählte mir die Zahnärztin, werden übrigens neuerdings auch Kronen aus Parkett und Stuck angefertigt, davon können die Leute ja nie genug kriegen. In anderen Bereichen des täglichen Lebens habe ich mich ebenfalls hervorragend mit den neuen Pennersalären arrangiert: Anstatt teuer essen zu gehen und monatelange Reisen auf die pazifischen Inseln zu machen, stöbere ich jetzt oft in meinem Lieblingskochbuch, das mein alter Freund und Pfennigfuchser Tex Morton zusammengeschrieben hat: "Tex Mortons exotisches Hawaiikochbuch" besteht aus 37 fantastischen, preisgünstigen Gerichten, von "Grünkohl Hawaii" (Zutaten: Grünkohl, Pinkel, Kartoffeln und eine Scheibe Dosenananas obendrauf) über "Eisbein Hawaii" (Zutaten: Eisbein, Sauerkraut, Kartoffelbrei und eine Scheibe Dosenananas obendrauf) bis hin zu "Pommes Schranke Hawaii" (Zutaten: Pommes, Öl, Salz, Mayo, Ketchup und eine Scheibe Dosenananas obendrauf). Mit Tex Mortons feiner Gourmetküche tuckert man quasi einmal um den Globus und wieder brav zurück. Nur sein etwas uninspiriertes Überbackener-Toast-Rezept habe ich nicht ganz verstanden.
Anstatt am Wochenende mein Geld zu waschen oder reines, medizinisches Heroin aus den gewachsten Arschritzen jener männlichen Supermodels zu sniefen, die Werbung für "Calvin Klein" und "Hugo Boss" machen (es gab eine Zeit, da haben Marcus Schenkenberg, Werner Schreyer und ich jede Nacht das Berghain aufgemischt, aber das ist ja nun irgendwie vorbei), gehe ich neuerdings lieber auf Obertonallnighter, die sind billiger, besser für die Ohren, man kann sich die Getränke selbst mitbringen, und weil man zu Obertongesang so schlecht tanzen kann, braucht man ohnehin weniger Flüssigkeit. Neulich beim geilen Obertonweekender mit Huun-Huur-Tu aus der russischen autonomen Republik Tuwa bin ich allerdings noch einmal in alte Gewohnheiten zurückgefallen und habe nach verrichtetem Geschäft, ohne nachzudenken, 20 Cent auf den Klofrauenteller gelegt. Als ich es merkte, lief ich selbstredend sofort in den Keller zurück und schüttete mir, nachdem ich schnell ein paar Rollen Klopapier am Körper versteckt hatte, sämtliche klimpernden Münzen behänd in die kleine Rossmanntüte. Das hat bis zum nächsten Monat gereicht!
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