die wahrheit: Die Quarkkneter
Aus der Serie "Heruntergekommene Berufe": der Designer (Nörgler vom Dienst).
Das Ding sieht aus wie eine Mondlandefähre. Ein glatter, konischer Corpus auf drei Rollen, gekrönt von einem helmartigen Gebilde, das metallisch in der Abendsonne glänzte. "Outdoorchef Trichtertechnologie, zwei Ringbrenner, Temperaturkontrolle, robustes und patentiertes Stahlfahrgestell, Seitenablagen und Bodenrost aus Eukalyptusholz, elektrische Mehrfachzündung inklusive Batterie - kurz: mein neuer Designergrill", so wird der Kugelgrill beworben, der während der Fußballweltmeisterschaft zum Einsatz kam und seinem Besitzer immer wieder wilde Flüche entlockte gegen die verfluchte Brut der Designer, die dem Grillfreund und seinen Gästen beinahe jedes WM-Spiel verdarb, da das sündhaft teure Designerstück noch jedes Stück Fleisch in Windeseile zu Klumpen unansehnlichster Materie verbruzzeln ließ.
Jawohl, es soll und muss hier an dieser Stelle gesagt werden: Der Designer ist ein notorischer Nörgler, Querulant und Besserwisser, eine Sehgurke und diplomierte Maultasche sondergleichen, mithin ein herausragender Quälgeist der Moderne. Seine Profession kann wohl mit einigem Recht als eines der heruntergekommensten Gewerbe der Menschheitsgeschichte bezeichnet werden.
Nichts ist ihm gut genug; was er sieht, muss er verbessern; wäre er Gott, für den sich der Designer tatsächlich gern hält, hätte er die Welt aus Knetmasse gemacht, damit er Tag für Tag darin herumpfuschen kann. Gott sei Dank ist die Welt nicht aus Knete, weshalb die Designer auf Veranstaltungen herumhängen, die "Helsinki Design Week" oder "Ahead! Design District"! heißen. Dort stapeln sich dann bevorzugt Container. Denn wie die finnische Architektin Kaisa Blomstedt sagt, symbolisieren Container "Internationalität, Mobilität, Grenzüberschreitung, Import und Export".
Entsprechend sehen unsere Städte auch aus. Nicht besser wird es, wenn sich die Designer den kleinen Dingen des Alltags zuwenden. Das Resultat sind Jogginganzüge mit eingenähten Pulsmessern oder "provokante Zukunftsszenarien", die "die Erscheinungsformen antifunktionalistischen Aufbegehrens der Zeit reflektieren". Zum Beispiel das Alessi-Service "Tea & Coffee Piazza", das durch "Kaffeekannen mit Anklängen an Wehrtürme" verblüfft.
Angesichts dieses irregeleiteten Gestaltungswahns resignierte vor 30 Jahren schon die Designlegende der Firma Braun, Dieter Rams: "Oft kann man von Glück sagen, dass die Form beim Gebrauch nicht stört."
Wer glaubte, den Kollegen würde solche Polemik zu denken geben, verkannte Epiphanie und Hybris des Berufsstandes. Der Niedergang der Zunft begann schon in den zwanziger Jahren im Bauhaus, als sogenannte Großkünstler das Design aus der Lebensreformbewegung entwickelten, einer subkulturellen Verirrung aus Ausdruckstanz, Wandervogelgrauen, Biokost und Freikörperkultur.
Und die Visionen der Eierköpfe werden mit den Jahren immer realitätsferner und horribler. Danijela Djokic, Martin Grothmaak und Jürgen Späth, drei führende Gestalter, denen die Welt unvorsichtigerweise Lehraufträge in Zürich, London oder an der Merz Akademie in Stuttgart erteilt hat, träumen davon, "eine Kamera im Auge integrieren zu können", "einen Tag lang im Körper des anderen Geschlechts zu erleben", "irgendwann, irgendwo sich selbst zu begegnen" und "in Cocooning Spaces mit Audio- und Geruchsstimulation auftanken zu können".
Andere Kräfte polemisieren gegen "den empfindungslosen Stumpfsinn einer Natur, die nichts davon weiß, wie sehr wir an ihren katastrophischen Kapriolen leiden". Dabei leidet die Zivilisation an nichts mehr als an den Designern. Beziehungsweise an Turnschuhen, die wie Schuhkartons, Autos, die wie Baguettebrötchen oder Lampen, die wie Suchscheinwerfer aussehen.
Kein Wunder. Einer ihrer prominentesten Vertreter - so konnte man kürzlich lesen - "benötigt für die Gestaltung eines Stuhls gerade mal zwei Minuten. Und ein ganzes Passagierschiff beansprucht einen Nachmittag."
Und wie alle selbstreferentiellen Wahnsysteme liefert das Designgewerbe die Designkritik gleich mit. Auf Designforen und -tagen schwafelt man über "Normativität, Sozialverträglichkeit und Design im Zeitalter der Globalisierung", jammert über "Trendkonformität", den "Druck der Märkte" und "fragwürdige Features", ist aber seit Jahren nicht in der Lage, eine funktionierende Saftpresse zu entwerfen.
Die Zunft wird es auch nicht mehr lernen. Stattdessen driftet der Designerquark ins immer Hochbeklopptere. Der neueste Trend: "Alles wird immer kleiner." Bis es nicht mehr da ist. Das hat die denkfaule und arbeitsscheue Brut in Paul Virilios "Ästhetik des Verschwindens" ausgegraben. Das Buch handelt vom Vergessen der Materie und unserem Verschwinden in der Welt. Das, Designer, könnte euch so passen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Habeck wirbt um Fachkräfte in Kenia
Gute Jobs, schlechtes Wetter
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style