die wahrheit: Der wunderbare Klumpen
Die Bevölkerung des Landes bestand aus Wissenschaftlern. Nachdem ich restlos eingetroffen war, sprach ich zur erstbesten Wissenschaftlergruppe,...
... die mir begegnete: "Bringt mich zu eurem Anführer." Wie diese Wissenschaftler so sind, taten sie mir den Gefallen. Nein, stimmt nicht, zuerst ging ich zu dem Missionar, bei dem ich mich melden sollte. Es gab nämlich einen Missionar mit einem frühchristlichen Fahrrad, der hatte Weisung, mich zu den Ureinwohnern zu bringen. Dummerweise war er wegen einer Bekehrungsangelegenheit momentan nicht fahrtüchtig, und so begab ich mich zu Fuß ins Landesinnere.
Zur erstbesten Wissenschaftlergruppe, die mir begegnete, sprach ich: "Bringt mich zu eurem Anführer." Sie ließen alles stehen und liegen, um meinem Wunsch zu entsprechen. Ihr Anführer hieß Honig und residierte in einem Erdloch. Er hieß mich freundlich willkommen, und mein Presseausweis verschaffte mir Zutritt zum Allerheiligsten. Dort ließen wir uns auf dem frisch geheiligten Boden nieder, und Honig gewährte mir ein Gespräch.
"Herr Honig", begann ich, "sprechen Sie zu mir von dem geheimnisvollen Klumpen, der durch die Wand gekommen ist, und den Sie nun erforschen."
"Der Klumpen, ja", hörte ich Honig sagen, die Worte kamen durch sein Kinn, "wir wissen inzwischen, dass er aus Materie ist." Immerhin! So weit war man schon. Mehr war aber leider nicht aus dem Anführer der Wissenschaftlergruppe herauszubekommen. Honig schien sich ans Genick zu greifen, zog aber einen kleinen Kopf nach dem anderen aus seinem Kragen und bewarf mich damit. Das Gespräch schien beendet. Ich verließ Honig, ohne etwas wirklich Bahnbrechendes über den wunderbaren Klumpen erfahren zu haben. Ich hätte entmutigt sein können, doch wie schon auf meinen Knochen geschrieben steht: Ich war nicht in dieses Land gekommen, um aufzugeben.
Am Abend unterhielt ich mich mit dem Missionar über mein Problem. Er hatte jetzt ein freikirchliches Fahrrad und somit viel mehr Freizeit. Dies erlaubte ihm, mir wichtige Informationen zu übermitteln. "Wissen Sie", sagte er, als wir ein gesottenes Formalhuhn verspeisten, "mit diesem Klumpen da will Honig nur von etwas anderem ablenken. Er hat ein Verhältnis mit einem Wesen, das es nachweislich nicht geben kann; nichtsdestoweniger hat er aber ein Verhältnis damit."
Wie zur Illustration zeigte mir der Missionar ein Foto von diesem Wesen. Ich staunte: Das war kein Mädchen, sondern ich mit sechzehn, aber bedeutend geschönt! An allen möglichen Stellen waren enorme, teils prinzipielle Verbesserungen angebracht worden. Mit mir hatte das kaum noch etwas zu tun. "Es ist", sagte der Missionar, "die prozessreife Benutzung des Restkörpers! Damit kriegen wir ihn." - "Wollen wir ihn kriegen?", fragte ich und erfuhr, dass Honig sich zwar an einer Art Phantom oder Schimäre verging, wenn man jedoch alle Verbesserungen in Abzug brachte, blieb genug von meinem historischen Ich übrig, um das alte Schwein wegen Sodomie vor Gericht zu bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!