die wahrheit: Amok im Amorak
Eine Delmenhorster Textilfirma bringt eine bequeme Multifunktionsjacke für trendbewusstes Metzeln auf den Markt.
Um Charlton Heston, seinerzeit seniler Präsident der einflussreichen amerikanischen Waffenlobby National Rifle Association, stand es bereits zu Lebzeiten nicht sonderlich gut. Was hat der Mann in seiner Karriere nicht alles erleben müssen: Erdbeben, diverse Flugzeugunglücke, Affenplaneten, biblische Gebotsübergaben und von ganz oben veranlasste Meeresteilungen. Galeerenjahre sind ja bekanntlich keine Herrenjahre.
Welches Schindluder allerdings jetzt in seinem posthumen Namen getrieben wird, hat auch ein so degenerierter Steinzeitler wie Heston nicht verdient. Denn auch Heston hat sich seine Gedanken zur Verbesserung unser aller Lebensqualität gemacht. So hatte er einst über die Sicherheit an amerikanischen Schulen nachgedacht und sich nach dem Littleton-Massaker, bei dem 1999 15 Menschen ihr Leben verloren, darüber empört, man dürfe an höheren amerikanischen Schulen keinesfalls gute amerikanische Schüler ihrer guten amerikanischen Waffenfreiheit berauben, müsse wohl aber deren Kleiderordnung ein wenig überdenken.
Also kam er zu dem ebenso weitsichtigen wie salomonisch-weisen Urteil, man solle an Schulen anstatt der Wummen lieber das Tragen langer Mäntel verbieten, unter denen die potenziellen Attentäter die Waffen ungesehen in die Schulen schmuggeln könnten. Ein für Hestons Verhältnisse fast schon beängstigend kompakter Gedanke.
Und genau dieser Grundidee hat sich nun über zehn Jahre später das Delmenhorster Modehaus Mörchel-Meier im Rahmen seiner aktuellen Kollektion angenommen, die in diesem Herbst unter dem Motto steht: "Was trägt der moderne Gewalttäter beim Amoklauf?"
"Gerade psychisch ohnehin schon sehr labile Täter wollen sich an ihrem großen Tag natürlich nicht dem Gelächter ihrer modebewussten Mitschüler aussetzen. Und wir von Mörchel-Meier haben uns schon immer verstärkt um die Probleme von jugendlichen Randgruppen gekümmert", berichtet Geschäftsführer Kevin Klenk. "Wir bringen daher eine bequeme und topaktuelle Multifunktionsjacke mit mehreren Munitionstaschen und integrierter Vermummungskapuze auf den Markt: den Amorak". Der Amorak soll trotz seiner nüchternen Praxisnähe vor allem zweierlei sein: angenehm leger zu tragen und dabei doch schön anzuschauen.
Bei der farblichen Gestaltung hat Mörchel-Meier länderübergreifend mit diversen Sondereinsatzkommandos der Polizei zusammengearbeitet und vertraut einem matten Schwarz mit vereinzelten roten Flecken. Das dezente rot-schwarze Camouflagemuster soll den Träger, farblich bestens abgestimmt, in dezenter Art und Weise daran erinnern, "dass alles auch einmal zu Ende geht", so Klenk. "Schließlich wollen die jungen Leute heutzutage wissen, was auf sie zukommt. Und wem das Muster nicht gefällt, der kann sich ja damit trösten, dass der Amorak in der Regel nur ein einziges Mal getragen wird."
Der Privatsender RTL II plant bereits eine mehrteilige Dokumentation über den Weg des Amoraks von der Herstellung bis zum finalen Einsatz und sucht daher modebewusste und zu allem entschlossene Protagonisten, denen im Fall des Überlebens, so ein Sprecher des Unterschichtensenders, "ein Plattenvertrag oder irgendwas mit Moderieren" winkt. Internen Informationen zufolge soll für das neue Format die ebenfalls militärisch organisierte Renovierungsreihe "Tine Hitler - Einmarsch in vier Wänden" geopfert werden.
Der gemeinsame Slogan Mörchel-Meiers und des Senders RTL II ist dann auch ein Satz Charlton Hestons. Gefallen auf einer NRA-Jahrestagung, als der mit einer Sackkarre direkt aus dem Sauerstoffzelt auf die Bühne gekarrte Scheintote eine Winchester über sein brecheisenfestes Toupet wuchtete und seine bekannte Maxime für die Waffenfreiheit röchelte: "Nur aus meinen kalten, toten Händen."
Ein Vorsatz, den die Amorak-Träger erfolgreich verwirklichen dürften.
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