die wahrheit: Ein bierschwarzer Tag für Irland
Eine Minute vor sechs ging es los. In ganz Irland erhoben am vergangenen Donnerstag die Trinker ihre Gläser und prosteten Arthur zu ...
... Warum um 17.59 Uhr? Weil Arthur Guinness am 23. September 1759 den Pachtvertrag über 9.000 Jahre für das Grundstück an der Liffey in Dublin unterschrieben hat, wo die Brauerei steht. Deshalb rief Guinness voriges Jahr zum 250-jährigen Jubiläum den "Arthurs Day" aus, und weil es so gut geklappt hat, macht man das nun jedes Jahr.
Wie schafft es ein Getränkemulti, dessen Mutterfirma Diageo neben der Brauerei auch die 3.000 führenden Schnapsmarken in der Welt gehören, dass sich eine ganze Nation mit einem schwarzen Bier identifiziert, das längst nicht mehr irisch ist? Guinness beherrscht den Markt auf der Insel, neben dem schwarzen Gesöff produziert die Brauerei auch ein grauenhaftes Helles und eine Art Altbier, das wie ein Pflaster auf einer Eiterbeule schmeckt.
Es reicht, wenn man in einem irischen Pub den Zeigefinger hebt - man bekommt anstandslos ein Guinness serviert. Dabei ist der Hauptsitz der Brauerei in London, Guinness wird in mehr als 150 Ländern gebraut, 40 Prozent der Produktion wird in Afrika versoffen. Dick werden die Afrikaner dabei nicht: Guinness hat angeblich weniger Kalorien als fettarme Milch.
Die Guinness-Leute hatten mehr als tausend Veranstaltungen in Irland organisiert, über 150 Musiker und Bands waren unterwegs. Manche von ihnen hatten allerdings vergessen, wo sie auftreten sollten. So tauchte Brandon Flowers, der Sänger der Killers, überraschend in dem kleinen Dubliner Club Whelans auf, wo eigentlich lokale Bands spielen sollten. Am Alkohol kann es nicht gelegen haben: Flowers hat voriges Jahr dem Alkohol abgeschworen und ist Mormone geworden. Nun prostete er dem Brauereigründer mit Mineralwasser zu.
Das hätte man in Kuala Lumpur auch gern gesehen, wo "Arthurs Day" ebenso wie in Chicago und in der Karibik gefeiert wurde. Die malaysische Regierung hatte ursprünglich Muslimen verboten, an den dortigen Feiern zum "Arthurs Day" teilzunehmen, weil es um Alkohol ging. Guinness entkräftete das: Der Profit aus den Feiern werde in die wohltätige Arthur-Guinness-Stiftung überführt. Mag sein, aber der Werbeeffekt ist unbezahlbar. James Dean Bradford, Sänger der Manic Street Preachers, glaubt jedoch nicht, dass junge Leute dadurch animiert werden, mehr Guinness zu trinken. Was meint der Einfaltspinsel, wozu die Brauerei den ganzen Zirkus veranstaltet?
Ein Leserbriefschreiber, zweifellos ein Abstinenzler, forderte Guinness auf, eine Warnung vor neurologischen Schäden bei Föten, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auf die Bierdosen zu drucken. Offenbar hält er das irische Gesundheitssystem für so marode, dass er die Gesundheitsfürsorge lieber einer Brauerei anvertraut. Dabei haben die Ärzte kürzlich schwangeren Frauen geraten, täglich ein Glas Guinness zu trinken. Die Werbestrategen der Brauerei haben es eben schon immer verstanden, der Kundschaft vorzugaukeln, dass Guinness "good for you" sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP