piwik no script img

die wahrheitIm Jahr Des Tigers: Baibai, Party, Baibai

Manchmal glaube ich, die chinesischen Behörden studieren diese Kolumne ganz genau, um danach sofort zu handeln. Kaum hatte ich mich zum Beispiel neulich...

... über die ubiquitäre Verwendung der englischen Abkürzung "VIP" in China lustig gemacht, erließ die staatliche Printkontrollbehörde General Administration of Press and Publication (GAPP) eine Verordnung, die die Verwendung englischer Abkürzungen wie VIP, GDP, CPI oder DVD in chinesischen Printmedien verbietet.

Außerdem ist es künftig untersagt, fremdsprachige Vokabeln in chinesischen Texten zu benutzen oder Wörter, die aus dem Chinesischen und einer anderen Sprache verschmolzen worden sind. Also müssen beliebte englische Spaßvokabeln wie "party" oder "e-mail" aus Zeitungen und Büchern verschwinden und Abkürzungen nun umständlich auf Chinesisch ausgeschrieben werden. So wird aus der amerikanischen NBA ein Ungetüm namens "mei guo nan zi zhi ye lan qiu lian sai".

Das habe ich nicht gewollt; schließlich sind solche Sprachreinhaltungsverordnungen sowieso der reinste Quatsch. Zunächst einmal: Wo ist die Grenze? Müssen nicht auch sinisierte Lehnwörter wie yinqing (engine), baibai (bye-bye) oder ku (cool), für die es bereits Schriftzeichen gibt, aus chinesischen Texten herausgesäubert werden? Jährlich erweitert sich die chinesische Sprache auf diese Weise um rund tausend neue englischstämmige Vokabeln. Und wenn man das bejaht, was ist dann mit den unzähligen älteren Wörtern, die aus dem Sanskrit, dem Mongolischen oder Japanischen stammen?

Zudem: Ist nicht dieser Sprachreinhaltungsunfug schon in Frankreich danebengegangen? Zwar gilt dort das 1994 erlassene Loi Toubon bis heute. Trotzdem sagt immer noch niemand "vacanelle" statt "weekend" oder "courriel" statt "e-mail". Doch gerade Frankreich wird von den hiesigen Befürwortern der Säuberungsverordnung immer wieder als Vorbild hingestellt. Will man in China wirklich den angelsächsischen Einfluss zurückdrängen, nur um am Ende den französischen Ignoranten nachzueifern?

Bleibt die Frage, was das Ganze soll: Die GAPP behauptet, der vereinzelt auftretende chinesisch-englische Sprachmix habe nicht nur die Reinheit der chinesischen Sprache "schwer beschädigt", sondern auch "negative soziale Auswirkungen auf eine harmonische und gesunde kulturelle Umwelt" gehabt. Konkrete Beispiele dafür aber fehlen.

Und so halte ich das Argument von Huang Youyi, dem Vorsitzenden der Internationalen Föderation der Übersetzer, für einleuchtender. Der Mann hatte bereits im März 2010 ein Reinhaltungsgesetz gefordert, und das unter anderem mit dem Satz begründet: "Es gibt ja auch kaum chinesische Zeichen in englischen Zeitungen." Wenn das alles ist: Diesem Missstand kann schnell abgeholfen werden. Zwar nicht in einer englischsprachigen Zeitung, aber genau hier: 英文非常酷! Und während Chinesen jetzt eine unglaublich lustige Pointe gelesen haben, gehen Sie leer aus, als Strafe für den englischen Sprachimperialismus in China. Das hat er nun davon.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • MM
    Matthias Mersch

    Hey Y.,

     

    ich finde es Klasse, dass es Dir gelungen ist, die Sprachspießer aus Ost und West in edler Einfalt, stiller Größe auf der Kommentarleiste zusammenzuführen! Weiter so! Neue Erfolge an der Sprachfront erkämpfen. Immer bis zum Sieg!

  • AR
    An Ran

    Sehr geehrter Herr Schmidt,

     

    leider scheinen Sie so viel Ahnung von der chinesischen Sprache zu haben wie Nordkorea von der Demokratie. Auch im Chinesischen gibt es seit langer Zeit Abkürzungen so kürz man die Universität in China generell ab: die Universität Peking 北京大学 wird zur 北大, die 南京示范大学 zur 南示 usw. Es gibt sogar Regeln wie etwas abgekürzt wird.

    Und ich bin mir auch ganz sicher, dass Ihre bedenken, sie müssten jetzt ständing "mei guo nan zi zhi ye lan qiu lian sai" hören oder lesen wenn es um die NBA geht, nicht berechtig ist. Die chinesischen Medien werden schon eine Abkürzung finden. Haben Sie doch einfach vertrauen in die chinesische Kreativität.

  • B
    Bernd

    Mei Murrä hot ümme gmaant i sol heit net zlong wech bleim. Sunst krich i, wen i ham kumm, a poor hintr d Löffl. - -

    Liest irgendwie chinesisch, oder? Ist aber nur eine Oberfränkische Kindheits-Erinnerung.

  • U
    Ulli

    Ok, die Chinesen übertreiben (wie so oft), aber nichtsdestotrotz ist die Richtig eine so falsche nicht.

     

    Wieso Wörter aus einer fremden Sprachen nutzen, wenn es die entsprechenden Bezeichnungen in der eigenen Sprache bereits gibt.

     

    Ok, e-mail oder Browser wären Fälle, wo man sagen kann: Klar, das lässt sich im Deutschen nur umständlich erklären.

     

    Aber wozu brauchen wir sowas wie Weekend, Sale oder gar WEEKEND SALE? Das Wochenende, den Ausverkauf und vor allem dem Wochenends-Ausverkauf kennt man auch so.

     

    Wieso muss Opa nun nach Mens Underwear schauen, nur weil er neue Schlüpper braucht, was wird Mutti sagen, wenn die freundliche Verkäuferin sie in die "Women Casuals"-Abteilung lotst.

     

    Und was will man mir mit sinnbefreiten Slogans a la "Come in and find out" sagen? Wahrscheinlich "Kommste rinn, kannste rauskucken" oder so ähnlich...

     

    Und dann latscht man durch ne Straße und muss mit Schrecken feststellen, dass Frisöre ein besonders gestörtes Verhältnis zur deutschen Sprache und Humor bzw. Wortwitz haben - die unzähligen Schnippelbuden, die das Wort "Hair" in Namen tragen, sind kaum noch zählbar. Und ja, ich hab schon mal ein Schild gesehen, wo "Extenschen" draufstand. Ich bekomme heute noch Lachkrämpfe, wenn ich daran denke ;)

     

    Selbst in den Medien ist vor der Anglizismen-Verblödung kein Einhalt zu sehen. Da wird von Irakis gesprochen (die heissen im deutschen Iraker), Silicon mit Silikon übersetzt und und und.

     

    Und das Berufsleben? Ich halts da inzwischen wie Dieter Nuhr: "Überhaupt arbeiten heute arbeiten alle nur noch im Team. Früher nannte man das Brigade oder Kolonne, heute heisst das Team!"

  • P
    professortiki

    English is cool!

  • JM
    Jo Mei

    英文 英文 英文非 英文, 英文 英文非 英文 英文 英文 英文非?