die wahrheit: Der schwarze Hund der Depression
Das wäre überstanden. Die vergangene Woche verlangte den Iren einiges ab. Früher fegte lediglich am Nationalfeiertag, dem St. Patricks Day, ...
... ein Alkohol-Tsunami über sie hinweg, doch weil man die Touristen gerne ein bisschen länger auswringen möchte, dehnte man den Tag auf eine Woche aus. In jeder Stadt und in jedem Dorf ehrte man den Schutzheiligen der Grünen Insel mit Musik, Straßenfesten oder Feuerwerk - und natürlich mit Festzügen.
Der größte fand in Dublin statt. Er stand unter dem Motto "Brilliant" und basierte auf einer Kurzgeschichte von Roddy Doyle. Dabei geht es um einen schwarzen Hund, dem Symbol für Depression, der den funny bone - den Musikantenknochen - geklaut und die Stadt in den Trübsinn gestürzt hat. Eine Horde mutiger Kinder, die ständig "brilliant" brüllen, vertreiben den Hund und legen den funny bone in die ausgestreckten Arme des legendären Gewerkschaftsführers Jim Larkin.
Natürlich ist das eine Anspielung auf die irische Wirtschaftskrise. Aber die schwarzen Hunde musste man am St. Patricks Day nicht erst vertreiben: Die Spitzen der Regierung begingen den Tag in den USA als Gäste des irischstämmigen Kongressabgeordneten Peter King, der mit rassistischen Äußerungen über Muslime von sich reden macht. Mit ähnlichen Beschimpfungen wurden in den USA früher die irischen Einwanderer belegt. Die weltweit erste Parade am St. Patricks Day war 1762 denn auch kein Freudenfest, sondern eine Demonstration gegen Diskriminierung.
Doch zurück zum Dubliner Festzug: Mittendrin tauchte ein Mann mit einem riesigen schwarzen Hund auf. Die zottelige Mähne, die blutunterlaufenen Augen und die gelben Zähne sahen furchterregend aus. Sein Hund wirkte auch nicht vertrauenerweckender. Schließlich griffen sich zwei Polizisten den Mann und fragten ihn, was er in der Parade zu suchen habe. Er gehe mit seinem Hund Gassi, lallte der Mann, das sei ja wohl nicht verboten. Die Polizisten hoben Mann und Hund über das Absperrgitter und rieten beiden, sich in den Park zu trollen.
Bis vor wenigen Jahren endete die Parade auf der schäbigeren Nordseite der irischen Hauptstadt, doch die Snobs von der Südseite haben durchgesetzt, dass der Festzug nun in umgekehrter Richtung marschiert. Dadurch waren im Wirtshaus Cumiskeys, wo sich die Parade früher auflöste, diesmal keine Touristen - bis auf die 18-jährige Julie aus England. Ihr extrem kurzes Kleidchen, das sie vermutlich in der T-Shirt-Abteilung eines Kaufhauses erstanden hatte, bildete einen farblichen Kontrast zu ihren blaugefrorenen Beinen. Dennoch war sie in guter Stimmung. Es war ihr erster Besuch auf der Insel, aber ihre Familie stammt aus der kleinen Häuserzeile hinter der Kneipe. Sie erzählte die Geschichte ihrer Tante, die ihrer etwas naiven Tochter vor deren Hochzeitstag erklärte, dass der Ehemann in der Hochzeitsnacht vermutlich sein wertvollstes Stück dort hintun wolle, wo sie ihr Pipi mache. Darauf die Tochter: "Was? Der will sein Rolling-Stones-Album in die Küchenspüle legen?"
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