die wahrheit: Im Jahr des Hasen: Die Zukunft des Journalismus
Der deutsch-chinesische Spielfilm "I phone you" kam im Spätfrühling dieses Jahres in die deutschen Kinos. Er lief hier allerdings nur kurze Zeit...
...Dem Publikum hat der Film offenbar nicht sonderlich gefallen, obwohl er doch zu großen Teilen in Berlin spielt.
Auch das deutsche Feuilleton fand "I phone you" nur so mittelgut. Jetzt aber läuft der Film in China an. Und ich bin von ihm völlig begeistert. Dabei habe ich bis jetzt noch keine Szene gesehen. Dafür war ich auf der Filmpremiere im luxuriösen Beijing International Hotel. Hier verriet die Hauptdarstellerin Jiang Yiyang im roten Minikleid und unglaublich hohen Bondagestiefeln, dass der Bär das Berliner Wappentier sei: "Auch die Berliner selbst sind wie Bären. Sie arbeiten sehr hart, aber sie können auch relaxen, Spaß haben und Bier trinken."
Aufs Stichwort wurde von der Frau des deutschen Botschafters ein Berliner "Buddy Bear" enthüllt, der glücklicherweise noch nicht angemalt war. Später lief noch ein kurzer Einspieler mit dem männlichen Hauptdarsteller Florian Lukas über die LED-Screens: "Das ist das erste Mal für mich, dass ein Film mit mir in China läuft. Das ist natürlich was wahnsinnig Besonderes."
Schließlich wurde der deutsche Botschafter auf die Bühne gebeten, um für die Fotografen ein Glas Weizenbier zu trinken, zusammen mit der Regisseurin Dan Tang und der Hauptdarstellerin. So sollte wohl das Wort der Schauspielerin vom Anbeginn in Erfüllung gehen.
Der Film, um den sich alles drehte, wurde allerdings nicht gezeigt. Stattdessen erhielt jeder der etwa hundert herbeigeeilten Journalisten eine DVD und einen Umschlag. Die DVD enthielt den Pressetext auf Chinesisch, ein paar Stills und zwei Film-Trailer, die nicht richtig liefen. Der Umschlag funktionierte um so besser. In ihm waren zwei rote Scheine à 100 Yuan, umgerechnet rund 23 Euro. Das ist immerhin etwa ein Zehntel des Monatslohns eines Pekinger Bauarbeiters.
Solche Gaben sind hierzulande durchaus üblich. Denn anders als in Deutschland, wird ein Journalist in China tatsächlich noch geschätzt. So erhält er eben nicht nur hohle Promo-Texte, sondern auch die wirklich wichtigen Papiere, die ihm ein Buch, einen Film oder eine Ausstellung in seiner ganzen Komplexität und Tiefe wirklich erklären können.
Ich jedenfalls verstand sofort, wie gut "I phone you" ist. Ich würde deshalb sagen: Es ist ein charmanter Spielfilm mit großem Herz, ein federleichter Liebesfilm, poetisch-realistisch, mit ein paar rührend-schwermütigen … Oder noch besser: Der Film ist ein echtes Meisterwerk, der auch sofort wieder in den deutschen Kinos starten muss. Und sollte ihn das deutsche Publikum auch weiterhin meiden wollen, gehört es kurzerhand hineingeprügelt.
Den deutschen Buchverlagen, Filmproduktionsfirmen und der Tonträgerindustrie aber empfehle ich: Lernt vom chinesischen Beispiel und leistet auch in Deutschland endlich bessere Pressearbeit. Oder ihr verpasst den nächsten Zug der Zeit: die Zukunft des globalisierten Journalismus.
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