die wahrheit: Korrektes Quälen
Mit alptraumhafter Präzision träufelt die computergesteuerte Anlage Wasser auf das Gesicht des auf einem Streckbett Gefangenen...
...Wurde früher im Lager Guantánamo das Waterboarding in reiner Handarbeit mit der Gießkanne betrieben, und war der Erfolg oder Misserfolg weitgehend vom Geschick des Folterers abhängig, kann der Anwender heute entspannt von seinem Sessel aus das simulierte Ertränken begutachten. Mit einer Fernbedienung lässt sich bequem die Wassermenge dosieren.
Kein Wunder also, dass Lieutenant John C. Wheeler vom "German Engineering" begeistert ist. Denn der Aquamaster D 500 ist ein Spitzenprodukt aus dem Hause Siemens. "Ihr Krauts habt einfach den Bogen raus", erklärt der bullige Verhörspezialist, während er liebevoll über die polierte Oberfläche des Hightech-Wasserspenders fährt. "Mein Baby", sagt er stolz, "hat bislang noch jeden Gefangenen zum Sprechen gebracht."
Dass Wheeler heute nicht mehr selbst Hand anlegen muss, hat er einem spektakulären Deal des deutschen Technologiekonzerns Siemens zu verdanken. Seitdem die Münchner den früheren Vier-Sterne-General Stanley McChrystal anheuerten, um die Geschäfte mit der US-Regierung anzukurbeln, hat sich an der Vergabepraxis der US-Administration einiges geändert. Hatten die Deutschen früher kaum eine Chance, bei lukrativen Militäraufträgen den Zuschlag zu bekommen, läuft es mit McChrystal an der Spitze von Siemens Government Technologies richtig rund.
"General McChrystal ist einfach ein ausgebuffter Profi", schwärmt Siemens-Kommunikationsdirektor Robert Pach. "Er ist ein abgezockter Haudegen und ein ausgefuchster Stratege dazu. Unser weitreichendes Ziel, die Lebensbedingungen möglichst vieler Menschen nachhaltig zu verbessern, können wir nur erreichen, indem wir langfristig planen und uns ständig neue, ehrgeizige Ziele setzen. Und dafür ist er der richtige Mann."
Der richtige Mann befehligte von 2003 bis 2008 ein Joint Special Operations Command im Irak, das für Folter und Misshandlungen im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib verantwortlich war. 34 seiner Leute wurden deswegen diszipliniert oder bestraft - McChrystal selbst wurde nicht zur Verantwortung gezogen. Erst nach massiver Kritik an Präsident Obamas Afghanistanpolitik wurde er 2010 seines Postens als Oberbefehlshaber der Afghanistan-Truppen enthoben.
Als bestens in der Hauptstadt Washington vernetzter und immer noch hochangesehener Exmilitär könnte sich McChrystal für Siemens daher als absoluter Glücksfall erweisen. Denn obwohl besonders Schwellen- und Entwicklungsländer der Hilfe starker Partner wie Siemens bedürfen, gilt es gleichwohl, mitunter auch in Industriestaaten wie den USA Defizite in der Infrastruktur auszugleichen. Modernste Technologien sind dabei besonders gefragt und Siemens als Anbieter von Windrädern könnte den enormen Energiebedarf der US-Streitkräfte weitgehend mit erneuerbaren Energien befriedigen.
Ein gutes Beispiel für diesen Ansatz ist ein projektierter Windpark bei Denver, Colorado, der die dort stationierten Einheiten mit Strom versorgen soll und für den zurzeit die Ausschreibung läuft. Stanley McChrystal hat dem Vernehmen nach bei seinen Gesprächen mit dem Standortkommandanten Eindruck hinterlassen: Die Windräder erzeugen nämlich nicht nur Energie nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit, sondern an ihnen können auch dank spezieller Halterungen Delinquenten zur Vorbereitung auf das Verhör festgeschnallt werden. Erste Versuche mit diesem sogenannten Windboarding zeigten ermutigende Ergebnisse.
"Eine einmalige Win-win-Situation", schwärmt McChrystal von dem innovativen Multifunktionsinstrument, "damit setzen wir neue Maßstäbe. War schon das Waterboarding eine ausgesprochen nachhaltige Verhörmethode, bekommen wir nun noch einen beträchtlichen Energiegewinn dazu."
Ein Problem scheint allerdings noch nicht ganz gelöst zu sein: Was, wenn den Delinquenten das Dauerkarussell auf dem Windrad so gut gefällt, dass sie am Ende der Prozedur gar nichts mehr aussagen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen