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die wahrheitWürstcheneintopf, Wutbürgerlich

Kolumne
von Susanne Fischer

Im Alter mehren sich die kuriosen Krankheiten. Ich zum Beispiel leide seit einiger Zeit an Kochwut. Leider nicht an der Art, wo die Patientin nicht aufhören kann ...

I m Alter mehren sich die kuriosen Krankheiten. Ich zum Beispiel leide seit einiger Zeit an Kochwut. Leider nicht an der Art, wo die Patientin nicht aufhören kann, Topf und Tiegel mit wunderbar duftenden Gerichten zu füllen, Kochzeitschriften zu abonnieren und den Gatten dick zu mästen. Bei mir ist alles ganz anders. Ich werde wütend, wenn ich koche. Ich koche also quasi doppelt.

Ich habe eine Freundin, die Kuchen backt, wenn sie wütend ist. Ein Krach mit dem Ehemann wird schnurstracks umgewandelt in ein eindrucksvolles Ensemble aus Gugelhupf, Apfeltorte und ihren speziellen Schoko-Rosinen-Küchlein, nach denen alle verrückt sind - ihre Wut reicht immer gleich für mehr als ein Backwerk. Am Ende ist ihr Zorn verraucht, und die Familie himmelt sie an. Ihre Backwut ersetzt eine Familientherapie mit systemischer Aufstellung und Auramassage. Und außerdem den Cafébesuch.

Ich habe das auch schon probiert, es haut aber nicht hin. Wenn ich wütend werde, muss ich mich bewegen, um den Zorn loszuwerden. So schnell kann ich gar nicht Eiweiß schlagen, dass die ganze Emotion dabei draufginge. Ich muss rennen, und seit der Arzt das Rennen verboten hat, muss ich ins Fitnessstudio.

Das ist unpraktisch, weil man im Büro nicht nach Empfang unangenehmer, dreister oder idiotischer E-Mails mit der Tür knallen kann; das heißt, das geht schon, aber dann brüllen: "Ich muss jetzt unbedingt auf den Crosstrainer!" und erst nach zwei Stunden zurückkommen - ganz schlecht für die Karriere. Außerdem gibt es leider in meinem Fitnessstudio jede Menge Leute, die mich wütend machen: Sportler, die zu laut sind oder zu aufdringlich riechen. Oder wie die manchmal gucken, nee, das geht ja gar nicht. So lange kann ich gar nicht auf der Stelle rudern, bis ich das aushalte.

Auch für die Wiederwahl zur Mama des Jahres ist es leider kaum hilfreich, den Löffel in der halbfertigen Spaghettisoße stecken zu lassen und zu rufen: "Euer Essen steht im Kochbuch!", ehe man dann zum Krafttraining aufbricht. Ich hasse Kochen. O, wie ich es hasse. Noch mehr aber hasse ich mich.

Denn selbst ich bin in ruhigeren Momenten fähig zuzugeben, dass es wohl doch keine Weltverschwörung gibt, die mich dazu zwingt, Pfannkuchen am Fließband herzustellen und über das Nichtanbrennen von Lauchtorten zu wachen. Es ist auch nicht wahr, dass alle anderen im Haushalt nichts tun. Sie tun nur nichts, was man hinterher essen kann. Nach drei Stunden im Fitnessstudio kann ich sogar einsehen, dass die Welt wichtigere Probleme auch für mich bereithält als die Frage, was es zum Abendessen geben soll und wieso eigentlich immer ich …

Andererseits, wen interessiert schon Christian Wulff? Ich würde höchstens wissen wollen, ob der Bild-Zeitungs-Erpresser zu Hause auch mal am Herd steht, oder ob dieser Job der Grinsekatze an seiner Seite zugefallen ist. Und ob sie immer noch dieses schockgefrorene Lächeln trägt, wenn sie zum hundertsten Mal seinen Lieblingseintopf "Würstchen am Rubikon" auftragen muss.

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