die taz vor zehn jahren über die cousinenwirtschaft bei den hessischen grünen :
Herzlichen Glückwunsch. Margarethe Nimsch, grüne Umwelt- und Familienministerin des Landes Hessen, hat die Konsequenz aus ihren Fehlern gezogen. Sie ist zurückgetreten, weil sie bei Aufträgen ihres Ministeriums versucht hatte, politische Freunde zu begünstigen. Ihre Partei, die nach dem neuerlichen Skandal gänzlich den Nimbus des Außergewöhnlichen zu verlieren drohte, kann vorläufig die Fahne der politischen Moral hochhalten. Motto: Anderswo wird ausgesessen, bei uns Grünen wird zurückgetreten. Natürlich ließe sich jetzt gut spekulieren, ob der Parteienfilz die Grünen an der Macht endgültig erreicht hat. Schließlich sitzen sie nirgendwo so lange in der Regierung wie in Wiesbaden.
Und eine Reihe von Skandalen haben das Führungspersonal der hessischen Grünen in den vergangenen Jahren ins Zwielicht gebracht. Kein Wunder, schließlich ist ihre politische Basis in den Ministerien und im politischen Apparat in Hessen besonders stark. Doch auch andersherum wird ein Schuh daraus. Mit den Grünen zieht offenbar eine andere Form politischer Moral in die Entscheidungszentralen ein. Nicht die grünen Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber sind moralischer als die schwarzen, roten oder gelben. Aber ihre Partei läßt ihnen offenbar weniger durchgehen. Wer sündigt, muß gehen.
Es wäre zu wünschen, wenn diese Art von politischer Moral tatsächlich zur Normalität im Land würde. Regelmäßige Rücktritte statt Vettern- und Parteibuchwirtschaft, Rotation statt Seilschaften der Begünstigung und unkontrollierbarer Vergabe von Aufträgen an die eigenen Spezis. Derlei gehört bisher noch in Bundesländern und auch in Bonn oder bei der EU zum politischen Alltag. Ein Alltag allerdings, von dem sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger mit Grausen abwenden. Wenn es also gelänge, die neue hessische Moral zur Normalität zu machen, wäre für die Demokratie einiges gewonnen. Hermann-Josef Tenhagen, taz vom 23. 2. 1998