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Archiv-Artikel

die taz vor 17 jahren über rita süssmuths dienstwagenaffäre und die hybris von politikern

Es ist ihre ganz spezielle Kombination aus Ehrgeiz, Machtstreben, Naivität und dem Zwang, alles selbst zu machen, über die Rita Süssmuth jetzt stolpert. Ihr Mann benutzt seit zwei Jahren einen ihrer Bundestags-Mercedesse für private Fahrten und solche zu CDU-Terminen. Er habe dies als ihr „Mitarbeiter“ getan, und weil die Fahrbereitschaft so überlastet sei, versuchte sich Rita Süssmuth mit zittriger Stimme zu rechtfertigen. „Wir haben seit fünf Jahren kaum ein freies Wochenende“, klagte sie, schon allein deshalb könne von Privatfahrten keine Rede sein. Offenbar hat sich die Präsidentin – bekannt dafür, alles selbst machen zu wollen – ihren Terminkalender so vollgeknallt, daß ihr keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Offensichtlich erwartet sie allen Ernstes, daß jemand versteht, wieso die Familie Süssmuth bei einem Monatseinkommen von 40.000 Mark drei Dienstfahrzeuge braucht und Benzingeld fürs Herumgurken im Wahlkreis kassiert. Im Vergleich zu anderen Politiker-Sauereien sind 200 Mark Benzingeld im Monat natürlich lächerlich. Trotzdem: Kosten für Partei- und Wahlkampftermine soll die CDU bitte selber übernehmen. Und Frau Präsidentin soll nicht so tun, als würde sie ihre ganze Freizeit dem Wohle der Nation opfern. Das Dilemma der Rita Süssmuth: Da ist wohl keiner, der sie davor gewarnt hat, daß gerade solche Dinge nach hinten losgehen können. Die höchste Frau im Staate hat sich selbst inzwischen schon so weit von der Realität entfernt, daß sie nicht mehr merkte, was sich da zusammenbraute. Es waren keine rechten CDU-Bataillone, die ihr via Benzinrechnung den politischen Garaus machen wollten, sondern schlicht ihre gestreßten Fahrer. Bei denen ist sie als „Sklaventreiberin“ verrufen. Trotzdem: Politisch kann die zur „Dienstwagenaffäre“ aufgebauschte Geschichte für Süssmuth zum Verhängnis werden. Den Rechten in ihrer Partei ist sie schon lange ein Dorn im Auge. Und von Kohl hat sie keine Unterstützung zu erwarten.

Tina Stadlmayer, 15. 3. 1991