die taz-empfehlung : Restaurateure
Ein Mythos ist Rio Reiser ohnehin: Als Frontman der Band „Ton Steine Scherben“ erneuerte er Anfang der 70er Jahre die deutsche Rockmusik. Mit Formeln wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Keine Macht für Niemand“ oder „Das ist unser Haus – ihr kriegt uns hier nicht raus“ prägte er dabei bis heute das Lebensgefühl der politischen Linken. Seine Hits „König von Deutschland“ und „Junimond“ machten ihn schließlich weit über die Polit-Zirkel hinaus bekannt.
Zehn Jahre nach seinem Tod liegt jetzt die erste Biographie über Rio Reiser vor. Unter dem Titel: „Das alles und noch viel mehr“ hat sie der Musikjournalist Hollow Skai verfasst. Er schildert den Musiker als tragische Gestalt, der an den Verhältnissen zerbricht: ein Scherbenhaufen am Ende. Im Polittbüro liest Skai um 20.00 aus dem Buch. Marius del Mestre (Scherben), Jan Plewka (TempEau) und Sven Panne spielen dazu die Songs von Reiser.
Trotz aller von Hollow Skai zu erwartenden Tragik handelt es sich bei der Veranstaltung schließlich um eine Feier: „Lang lebe der König! Ein Abend für Rio Reiser“. Das richtige Motto. Denn gerade jetzt, wo immer unbeschränkter als Realismus getarnter Fatalismus das Zepter führt, bedürfen wir Rios Idealismus: „Wir sind geboren, um frei zu sein – wir sind zwei von Millionen, wir sind nicht allein.“ Nicht als blinder Utopismus wären diese Zeilen auszulegen, sondern als progressiver Realismus im Sinne der Pariser Parole des Mai 68: „Soyez réalistes, demandez l‘impossible“ (Seid realistisch, verlangt das Unmögliche). Anders ist ein selbstbestimmtes Leben nicht zu haben. Auch wenn man am Ende daran zerbrechen sollte. MAP