die stimme der kritik: Betr.: Spaß am Dienstag
PSST. . . WILLST DU EIN H KAUFEN?
Es gibt mindestens drei Gründe, warum es heute an dieser Stelle nicht um Erich Ribbeck und Uli Stielike gehen wird.
1. Das hat jeder erwartet.
2. Mit Entsetzen treibt man keinen Scherz.
3. Die Bild-Zeitung und unsere „verboten“-Rubrik auf der Seite eins können das besser.
Diese Kolumne widmet sich stattdessen dem Draußen, dem echten, wahren Leben. Das kann man nicht nur in Straßenbahnen und Schlangen im Supermarkt belauschen, sondern auch auf Partys, wo Männer und Frauen trinken, die ab und an ein Buch und täglich das Feuilleton einer überregionalen Qualitätszeitung lesen. Eben aus diesem echten, wahren Leben stammt folgender echter, wahrer Dialog.
– Der Typ dahinten hat gerade erzählt, Ulrich Beck erklärte im Spiegel-Interview, Sex sei zur Zeit in Kuba und Irland am besten. – Was? Ulrich Beck? Nie!
– Sagte der Typ aber.
– Ist ja toll. Der Beck ist wohl voll durchgeknallt. Damit sind „Bastelbiografien“ und „Selbstverantwortlichkeit“ ja wohl auch durch, oder?
Zu früh gefreut. Noch auf der gleichen Feier wurde alles aufgeklärt. Es ging gar nicht um „Deutschlands wortmächtigsten Soziologen“ (Spiegel). Die diskutierten Reiseerlebnisse waren nicht von Ulrich Beck, sondern von Houellebecq. Der Name des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq wird ganz anders geschrieben, aber sehr ähnlich ausgesprochen, zumindest von jungen sächsischen Intellektuellen. Ein Missverständnis, weil die romanischen Sprachen kein gesprochenes „H“ kennen.
Erzählt man diese Anekdote im andinen Hochland von Peru, erntet man überraschenderweise verständnisvolles Nicken. Die Spanisch sprechende (stimmloses H) Mittelschicht kultiviert dort seit Generationen ihr Unvermögen, indianische Namen (mit hörbarem H) korrekt auszusprechen. Diesem traditionellen Sozialrassismus entgegen steht allerdings eine Mode unter einigen jungen peruanischen Paaren, nämlich ihren Kindern deutsche Namen zu geben. Kleine Hildas, Hermanns und (tatsächlich!) Helmuts werden in ein paar Jahren andauernd auf ihren gesprochenen Hs bestehen! Schöne Aussichten also – zumindest in Peru. ROBIN ALEXANDER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen