die stimme der kritik: Betr.: Freier Wettbewerb
www.deutscheHerkunft.de
Grau ist der Alltag, weiß das Klischee und der Journalist, der es verwendet. Das Tagewerk scheint dem Medienarbeiter eine unablässige Fron: Nachricht, Bericht, Kommentar. Leben, das immer anderswo stattfindet, in graue Zeilen pressen. Tag für Tag. Selbst sonntags.
Einmal nur selbst im Rampenlicht stehen. Ein Star sein für einen Tag. Belohnt werden. Doch, das gibt es auch im Journalistenleben: wenn man einen Preis verliehen bekommt. In New York wird der Pulitzerpreis vergeben für die Recherche, die Republik und Establishment erschütterte. Auch nicht zu verachten ist der Egon-Erwin-Kisch-Preis für die geschliffene Reportage. Zum Republikerschütterer reicht es freilich in der Medienzunft eher selten. Und echte Egon-Erwins sind rar gesät.
Da trifft es sich gut, dass scheinbar nicht nur das Bedürfnis groß ist, ausgezeichnet zu werden. Umgekehrt zeichnen manche Leute auch gerne aus und verteilen deshalb Preise an Journalisten und Artverwandte. Es gibt den „Siebenpfeiffer-Preis für demokratische Presse“, den Filmpreis „Der Heinrich“, den „Journalistenpreis Osteoporose“ oder auch den „OK-Radiopreis Bunny 2000“ und den „Expo-Journalistenpreis Nützliche Industrieabgase“. Die Jüngeren in der Redaktion haben nicht einmal für jede Jury einen selbst verfassten Artikel parat.
Unbedingt sollten Kollegen, die sich preiswert wähnen, jedoch eine Arbeit an die Agrar-Marketing-Agentur CMA in Köln schicken. Diese uneigennützigen Freunde des deutschen Qualitätsjournalismus wünschen sich „Geschichten über die Lust am Hähnchen“ und loben deshalb den „Journalistenpreis Geflügel“ aus. 8.000, 5.000 und 3.000 Mark werden – neben der Ehre natürlich – vergeben für Print-, Agentur-, Funk- und Internetbeiträge in den Kategorien „Geschmack/Ernährung“, „Qualität/Sicherheit“ und „Deutsche Herkunft“.
Unklar bleibt, ob für deutsche Herkunft der Legeort, der Schlachtort, der Verpackungsort, der Ort des Verzehrs, die Nationalität des Huhns oder des Preisträgers ausschlaggebend ist. Einsendeschluss ist jedenfalls der 5. Januar 2001. (Infos unter www.deutscheHerkunft.de.)
Dieser Text versteht sich selbstverständlich als Wettbewerbsbeitrag in allen drei Kategorien. ROBIN ALEXANDER
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