piwik no script img

die stimme der kritikBetr.: Bett, Badezimmer, Garage und Büro

Regression in die anale Phase

Der kanadische Futurologe Dr. Morrison prognostiziert für die Zukunft eine grundlegende Veränderung im Geschlechterverhältnis. Frauen könnten für das Kommunikationszeitalter und alles, was danach noch kommt, biologisch besser ausgerüstet sein, heißt in einem von Morrison erstellten Gutachten: „Der Bedarf an Muskelfleisch nimmt ab, die Macht hat sich vom Bizeps ins Gehirn verlagert.“ Die Männer, so Dr. Morrison, werden sich daher in naher Zukunft körperlich verändern. Man darf vermuten, dass sich zunächst der bisherige statistische Größenunterschied zwischen den Geschlechtern verringern und möglicherweise sogar umkehren wird.

Im Internet sind bereits die ersten Seiten für Betroffene eingerichtet worden. Im Forum „Kleine Männer – große Frauen“ werden bereits entsprechende Pärchen fürs Fernsehen gesucht, die Frage diskutiert, ob groß gewachsene Frauen hochhackige Schuhe tragen sollten. (Viele Teilnehmerinnen finden es in Ordnung, größer als ihr Mann zu sein.)

Nicht alle Männer sind allerdings bereit, sich kampflos zu ergeben. Die Zielgruppe der streitbaren Evolutionsverlierer visiert das neue Publikationsorgan For Him Magazine an, kurz FHM. Die in Großbritannien gestartete Zeitschrift, die laut Editorial „im Bett hilft, im Badezimmer, in der Garage, im Büro“, berichtet in ihrer ersten deutschen Ausgabe darum auch vor allem über Männer, die sich im Alltag beweisen: Es findet sich eine Reportage über Schwerverbrecher („Wie fühlt es sich an, zu töten?“), ein Interview mit einem Faulturmtaucher („Wie orientieren Sie sich im Schlamm?“) und ein Bericht über eine Hämorrhoiden-Behandlung („Entspannen Sie sich!“).

So verlagert sich der Sitz der Macht: Während die Zukunft der Männer von FHM eindeutig in einer Regression in die anale Phase gesehen wird, verweisen die Blattmacher die Frauen auf ihren angestammten Platz – in das sorgfältig in Silberpapier verpackte Extraheft „50 Hot Girls“. Etwas irritiert bemerken die Texter, die sich ansonsten streng an den traditionell weiblichen Formen abarbeiten, dass das Model Heidi Klum Schuhgröße 44 hat – um dann aber letztgültige Beweise für die evolutionären Konstanten vorzulegen. Ein FHM beigelegtes Poster zeigt die Sängerin und Schauspielerin Jennifer Lopez. Und um Dr. Morrison und all die anderen, die die Frauen für die Zukunft großreden wollen, zu widerlegen, werden die Fakten gleich auf der Titelseite des Magazins genannt: „XXL Poster – Jennifer auf 1,16 Meter“. KOLJA MENSING

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen