die stimme der kritik: Betr.: Die Stunde der Feuilletonisten und das Wetter
Oh popperlopop, Pop null Pop!
Es ist die hohe Zeit der großen Besinnung und der kleinen Abrechnungen. Pop geht es überhaupt nicht gut! Wenn Pop man nicht sogar im Sterben liegt! Pop kann nicht mal was dagegen tun, dass der Popspezialist von der Zeit, Thomas Assheuer, genau das unlängst auch gemerkt hat. Keiner hat die Popliteratur mehr lieb, weiß er, und auch dem Poptheater weht der Wind auf die Bühne, wenn (ausgerechnet) einer wie Peter Stein sagt: „Popcorn kenne ich, aber das esse ich nicht.“
Armer Pop, da kommt es knüppeldick: Es mehren sich also die Stimmen, „die gegen eine flächendeckende Anwendung der Popästhetik protestieren“, von wo auch immer, und dann gibt es auch gleich zehn fette Zeit-Thesen zu deiner Krise!
Pop aber kämpft, Pop ist nicht wehrlos, nein, ganz und gar nicht. Denn, das untertitelte die Süddeutsche in ihrer Samstagsausgabe: „Das große Gelaber“, also das Gelaber um Wickert und seine Drogenexzesse, um Dieter und seine Frauen, um Boris und seine Gefühle, „ist die Rache der Popkultur an den Medien.“ Dynamite de luxe, Subversion de luxe! Doch Pustekuchen: Der Autor, Niklas Maak, der Rächer alles zurzeit so in den Hintergrund gedrängten Schönen, Wahren und Guten, meint es in seinem Text doch irgendwie anders: „Mit Bohlen und Becker rächt sich die Popkultur an sich selbst.“
Also an den Medien, die Pop so viel Böses antun, die aber auch Pop sind. Oder doch an sich selbst, an Pop, diesem schlimmen Finger, diesem Popanz, der schließlich selbst Schuld an seinem Dilemma trägt: Mensch früher, weiß Maak, weiß die SZ, in den Zeiten vor Pop, da gab es noch Leute mit Biografien, die mussten was lernen, die mussten was erleben, erst dann durften sie Pop werden. Als Pop dann kam, war es vorbei. Schein vor Sein. Das war mit Elvis schon so, das ist heute mehr denn je so.
Ja, Pop, jetzt geht’s dir an den Kragen! Nach Pop eins und Pop zwei jetzt Pop null. Die Stunde null. Da ist guter Rat teuer. Thomas Assheuer aber hat einen: Pop muss sich wieder auf sich selbst anwenden, Pop muss sich wieder mit Pop helfen. Oder muss Pop sich doch besser an sich selbst rächen? Oder an den Medien? Pop will eat itself, helft! There is no love between us anymore. Pop, Pop, popperlopop.
Es folgt: das Wetter, die Ziehung der Lottozahlen und Gerhard Schröder auf der Tribüne bei Energie Cottbus.
GERRIT BARTELS
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