die sache ist: Diese letzte Seite ist die letzte, weil sie die erste ist
Die nordkultur geht im Digitalen auf: Damit erfüllt sie nur ihren innigen Wunsch, ganz vorn zu sein
Anfangs war die letzte Seite nicht die letzte. Die nordkultur, die hier wirklich zum alerletzten mal erscheint, befand sich mittendrin im vierseitigen Nordbuch der taz. Ab dem 8. Juli 2003 erschien sie als ein Gemeinschaftsprodukt von Bremer und Hamburger Kulturredaktionen, und war damit als Seite 23 die erste Nordseite überhaupt.
Da die Drucktechnik immer mindestens vier Seiten zusammendenkt, gab’s zwar noch eine Seite 24. Die wurde von den Lokalredaktionen Hamburg und Bremen mit in neun Textchen gepresstem, nachrichtlichem Überlaufmaterial zugeballert. Die erste Nordkulturseite hatte dagegen ein Konzept. Sie fragte sich, was das sein könnte, der Norden und Norddeutschland – durch ein Interview mit einem kritischen Plattdeutsch-Forscher und illustriert mit einem roten Backstein, wenn auch im Schwarz-Weiß-Druck.
Polit-Journalist*innen müssen die vorgegebenen Grenzen ihrer Polis respektieren. Kulturist*innen dürfen das nicht. Sie müssen versuchen nachzudenken. Das vergrößert das Risiko der Unverständlichkeit.
Aber es erleichtert einen Wandel, wie die erzwungene Fusion von taz Hamburg und Bremen zur taz Nord für eine Horizonterweiterung zu nutzen. Beispiel: Die Theater in Lübeck, Osnabrück oder Schwerin haben nicht dieselben Mittel wie etwa das Thalia-Theater Hamburg. Aber Kultur kann und muss dort, wo die meisten Menschen in Deutschland leben – in den mittelgroßen Städten – dieselben Themen anders verhandeln, andere Fragen stellen und andere Funktionen übernehmen. Das ist spannend, ästhetisch und soziologisch. Dem nachzugehen ist möglich dank vieler freier Autor*innen, die bereit sind, sich für schmales Geld aufs Abenteuer des Denkens einzulassen.
Die taz stürzt sich mit Aufgabe der Druckausgabe froh und todesmutig ins Digitale, das Raum und Zeit eine gummihafte Konsistenz verleiht.
Um das Denken in diesem Informationsmeer zu festigen, wurde dem bundesweiten Kulturteil die norddeutsche Moor- und Küstenkompetenz zugeschlagen. Er wächst im Buchstaben-Bild-Umfang einer Seite. Wir, die Nordkulturist*innen samt freien Schreiber*innen, gehen darin also auf, als erste, sind aber weiter da, nur eben nicht auf einer letzten, als regional markierten Seite. Sondern mittendrin, überall und nirgends, unsichtbar. Fast wie Gott. Man muss nur dran glauben.nordkultur
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