die neue mauer : Arbeitsmarkt und Arbeitskampf
War das ein Zufall? Zur gleichen Zeit, in der die Vertreter von Ver.di, GEW und GdP gestern die Parole „Mehr Lohn oder Streik“ ausgaben, gab nicht einmal drei Kilometer enfernt Landesarbeitsamtschef Klaus Clausnitzer die neuesten Arbeitsmarktzahlen bekannt. Knapp 300.000 Menschen in der Hauptstadt sind arbeitslos.
Kommentar von UWE RADA
Den 140.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes droht ein solches Schicksal nicht. Das ist auch der Grund, warum die Berliner sich mit den Tarifforderungen schwer tun. In einer Umfrage sprachen sich jüngst 49 Prozent gegen und 46 Prozent für Tariferhöhungen aus.
Alarmierender dürfte für die Gewerkschaften aber die Tatsache sein, dass auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Verlängerung der Beschäftigungsgarantie einer Lohnerhöhung oftmals vorziehen würden. Doch darüber wollten die Ver.di-Oberen ebenso wenig verhandeln wie über einen gestaffelten Tarifvertrag mit einer Lohnsteigerung für die unteren Einkommensgruppen und einer Nullrunde für die Besserverdienenden. So kann auch Solidarität manchmal nichts anderes als Egoismus sein.
Erst recht, wenn man einen Blick auf die Realität außerhalb der Amtsstuben wirft. Von den 300.000 Arbeitslosen hätte wohl ein Großteil gerne auf eine Lohnsteigerung verzichtet anstatt auf den eigenen Arbeitsplatz. Vorerst drückt sich diese neue Mauer von öffentlichem Dienst und privater Arbeitslosigkeit nur in Umfrageergebnissen aus. Doch bald könnte es heißen: Sollen doch die Arbeitslosen ihren Müll selbst wegräumen.
Das allerdings wäre fatal. Sowohl für Ver.di und den öffentlichen Dienst als auch für das soziale Klima. Soll Solidarität nicht egoistisch sein, sollten die verzichten, die es können, damit nicht an denen weitergespart werden muss, die ohnehin arbeitslos sind.