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Archiv-Artikel

die grinsende gebärmutter von ILKE S. PRICK

„Das darf echt nicht wahr sein“, motzt Matilde und legt ein Kästchen auf den Tisch. Ich zucke zusammen. „Was denn?“, frage ich alarmiert und versuche, nicht hinzuschauen, denn ich kenne den Karton. Gummibärchenmuster. Achtzigerjahre. Und ich kenne den Inhalt. Allerdings wähnte ich den schon längst auf dem Müll. „Gepierct bis unter die Hohlziegel, aber keine Ahnung von ihrem Körper“, überhört sie mich kopfschüttelnd und sucht Gläser. Heimlich überlege ich, mit wie viel Schritten ich wohl an der Wohnungstür bin, aber zu spät: Matilde setzt sich. Hier komme ich so schnell nicht mehr raus.

„Da erzählt sie mir gestern allen Ernstes am Telefon, dass in ihrem Alter nichts passieren kann mit Schwangerschaft und so“, sie nimmt einen großen Schluck, „doch damit kommt sie nicht durch. Nicht bei mir!“ Auch ich nippe am Glas und überlege, welche unserer Freundinnen diesmal glaubt, wechseljahrtechnisch aus dem Verbund der Fertilitätsfähigen auszuscheiden, um dann wider Erwarten als Spätgebärende zu enden. Doch so viel ich auch grüble, mir fällt keine mit mehr als einem Piercing ein. „Und da“, blubbert Matilde weiter, „habe ich Jasmin gesagt, dass sie gefälligst heute Abend hier auftauchen soll, damit wir ihr das mit der weiblichen Anatomie mal richtig erklären.“ Jasmin, ach so. Matildes pubertierende Nichte. Richtig erklären, hm. Ich blicke auf das Kästchen. Wir! Spontan wird mir übel.

Und, schwupps, liegt der Inhalt auch schon auf dem Tisch. Vier gerahmte Bilder, die an rostbraune Rorschachtests erinnern und damals in unserem WG-Badezimmer hingen, genau neben der Klospülung. Das Spekulum, eingewickelt in rotem Seidenpapier. Das Heft mit unseren Zykluskurven. Ich habe mich schon oft gefragt, womit man mich notfalls erpressen könnte. Nacktfotos? Ladendiebstahl? Quatsch! Dieser Kasten genügt. Ich bin nur froh, dass die Polaroidkamera damals versagte, bevor wir auch noch die Ergebnisse unserer Schleimtests für die Nachwelt dokumentieren konnten.

„Uns hat es doch weitergebracht, oder?“, dringt Matildes Frage durch meine Gedanken. „Ja, schon, irgendwie vielleicht“, antworte ich und überlege, wohin genau es mich eigentlich gebracht hat, dass ich seit dem Selbstuntersuchungskurs im Frauenzentrum weiß, wie mein Gebärmuttermund aussieht. Das, was mir dazu jedenfalls sofort einfällt, ist Sylvias Gequietsche, als sie mit Taschenlampe und Spekulum bewaffnet zwischen meinen Schenkeln abtauchte und aus diesen Tiefen dann ein „Das ist ja komisch: dein Gebärmuttermund sieht aus, als ob er grinst“, ertönen ließ. Woraufhin sich der Rest der Gruppe um mich versammelte und dieses Wunder auch mal sehen wollte. So lag ich also da wie ein Grillhuhn, lange bevor Annie Sprinkle mit so was ein Vermögen verdiente. Matilde hebt zwinkernd ihr Glas: „Oder ist es etwa keine Genugtuung zu wissen, dass deine Gebärmutter über das ein oder andere lachen konnte?“ Sie grinst. Ich auch. Feierlich prosten wir uns zu.

„Igitt“, kreischt Jasmin kurze Zeit später. „Was sind das? Menstruationsbilder?“ Hilfe suchend blickt sie um sich. Nein, keine Chance! Da muss sie jetzt durch. Genau wie ich durch meine Hühnchennummer.