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die gesellschaftskritikBedrückende Tage nach dem „Triumph“

Nach der Verfassungs­abstimmung greift Russlands Geheimdienst hart durch

Vor einer Woche jubilierte Russlands Machtapparat. „De facto fand ein triumphales Referendum zum Vertrauen in Präsident Putin statt“, sagte der Kreml-Sprecher Dimitri Peskow. Auf knapp 80 Prozent Zustimmung waren die Auszähler*innen gekommen. In den Augen der „Wlast“, wie die Russ*innen den Machtapparat im Land nennen, ist es eine Mehrheit, mit der der Kreml ein starkes Argument für eine freie Hand hat.

Wie frei diese Hand ist, zeigt sich in den Tagen nach dem „Triumph“. An diesem Montag verurteilte ein Gericht die Journalistin Swetlana Prokopjewa aus der Stadt Pskow wegen „Rechtfertigung von Terrorismus“ zu einer hohen Geldstrafe.

Nach Maßstäben der russischen Justiz hatte die Frau, die in einer Kolumne über eine Generation schrieb, die den Staat als Instrument der Sicherheitsbehörden erlebe, noch Glück gehabt. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft und vier Jahre Berufsverbot gefordert.

Am Dienstag hatten Beamte des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB den ehemaligen Journalisten Iwan Safronow vor seinem Wohnhaus in Moskau festgenommen. Dem 30-Jährigen, der über Russlands Rüstungsgeschäfte und Missstände in der russischen Armee schrieb und nach seinem kürzlichen Wechsel vom Journalismus in die PR als Berater für Russlands Weltraumagentur Roskosmos arbeitete, wird Landesverrat vorgeworfen. 20 Jahre Straflager drohen ihm, die Anklage wird am kommenden Montag verlesen.

Am Donnerstag durchsuchten Sicherheitsbeamte in den frühen Morgenstunden Wohnungen von Journalist*innen und Menschenrechtler*innen, in Moskau wie in Sibirien. In Cha­ba­rowsk, im fernen Osten des Landes, nahmen die Beamten – ebenfalls am Donnerstag – den Gouverneur Sergei Furgal fest. Er soll mehrere Morde in Auftrag gegeben haben. Die Taten sollen vor 16 Jahren passiert sein. Furgal, von der rechtspopulistischen Partei LDPR, hatte sich bei den Regionalwahlen vor zwei Jahren gegen die Kandidaten des Kremls als Gouverneur durchgesetzt.

Kritik am Vorgehen wischt der Kreml beiseite. „Das sind ein paar Dutzend Meinungen, die nicht als öffentliche Resonanz bezeichnet werden dürfen“, heißt es knapp. Autoritäre Systeme verstehen die Macht absolut. Minderheiten werden als undankbar wahrgenommen. Als Feinde, die weg müssen.

Aus Moskau Inna Hartwich

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