piwik no script img

die gesellschaftskritikDer Unterschied zwischen Wissen und Werten

Die designierte Direktorin des Schweizer Fernsehens polarisiert mit einer Aussage zu „Meinungsjournalismus“

Seit vom „Vertrauensverlust in die Medien“ die Rede ist, versuchen vor allem öffentlich-rechtliche Sender zu ergründen, wie man jene zurückholt, die Medien als elitär, einseitig oder gar „erzieherisch“ bezeichnen. Einen Vorschlag dazu hat jetzt die designierte Chefin des Schweizer Rundfunks (SRF) gemacht.

Nathalie Wappler-Hagen, derzeit noch Programmdirektorin beim MDR, hat in der NZZ am Sonntag gesagt, dass der SRF in seiner Berichterstattung künftig weniger „Meinungsjournalismus“ machen und mehr „abbilden“ soll. Ganz besonders ein Zitat der künftigen Direktorin sorgt dabei unter Journalist*innen für Unverständnis.

„Wenn wir einen Politiker zu Wort kommen lassen und wenn der Journalist dann den Eindruck erweckt, er wisse es besser, provoziert das einen Vertrauensverlust.“

Für ein Statement, wie sie das genau gemeint hat, stand Wappler-Hagen am Montag nicht zur Verfügung. Es stellt sich aber die Frage, was daraus folgt. Dass ein Journalist oder eine Journalistin, der oder die einen Politiker befragt, gut genug informiert ist, um auf Aussagen reagieren zu können, genau dafür schalten Menschen die Nachrichten ein – und nicht etwa den hauseigenen PR-Kanal des Politikers.

Nachrichtenbeiträge sind selbstverständlich von Meinungsformaten zu trennen. Dennoch gehört zu jedem Bericht neben dem bloßen Sammeln von O-Tönen auch immer die Einordnung des Gesagten. Dafür braucht es Wissen – und damit kann es passieren, dass Journalist*innen es mal „besser wissen“ oder zumindest so rüber­kommen.

Ironischerweise gehört zu den Problemen, die in den letzten Jahren diskutiert worden sind, auch, dass es häufig in Redaktionen eben nicht mehr genug Leute gibt, die es „besser wissen“ – Fachjournalist*innen, die in ein Gebiet so eingearbeitet sind, dass sie im Gespräch ad hoc falsche Fakten identifizieren können. Das Ergebnis sind dann Interviews, bei denen Politiker*innen ungebremst Behauptungen verbreiten. Das wiederum führt ebenfalls zu Vertrauensverlust.

Nathalie Wappler-Hagen sagt im Interview auch, dass Berichte nicht von der eignen Meinung geprägt sein sollten. Dass Berichtende nicht zu bewerten haben, was sie berichten. Aber zwischen Wissen und Werten besteht ein Unterschied, den man nicht fahrlässig unterschlagen darf. Peter Weissenburger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen