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Archiv-Artikel

die freunde kafkas und die deutsche forschungsgemeinschaft

Aufregung um Franz Kafka: Die deutsche Forschungsgemeinschaft will eine renommierte Kafka-Edition nicht fördern und handelt sich nun weltweiten Protest ein. Es geht um die historisch-kritische Kafka-Ausgabe der beiden Germanisten Roland Reuß und Peter Staengle, die im im Stroemfeld-Verlag erscheint. Bis jetzt veröffentlicht wurden Handschriften-Editionen des „Process“ und der „Verwandlung“, Faksimile-Ausgaben von Kafkas Notizheften sowie Reprints von Erstausgaben wie „Die Verwandlung“ und „Ein Landarzt“. Nun soll in den nächsten Jahren der gesamte poetische Nachlass Kafkas folgen, er wird zum ersten Mal für die Nachwelt gesichert. Bislang geschah das ohne öffentliche Förderung. Bleibt es bei einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefällten Entscheidung, muss das bislang einmalige Projekt auch in Zukunft ohne Forschungsgelder auskommen. Am 4. Oktober lehnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Erstantrag auf Förderung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters und zweier Hilfskräfte ab. Aus Sicht der Heidelberger Herausgeber ist das derart unverständlich, dass sie nun an die Öffentlichkeit gehen und den Verdacht äußern, die Ablehnung ihres Antrages durch die DFG könne „nur auf die Voreingenommenheit der anonym bleibenden Gutachter zurückgeführt werden“.

Inzwischen hat auch die Fachwelt reagiert und in einem offenen Brief formuliert, die bisher veröffentlichten Bände hätten „weit über die Grenzen der Kafka-Forschung hinaus der neueren Philologie bedeutende Impulse gegeben“. Gerichtet ist der Brief an den DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker. Bliebe es bei der Ablehnung, so die Argumentation, sei das nicht zuletzt deshalb „eine wissenschaftliche und wissenschaftspolitische Katastrophe“, weil die historisch-kritische Kafka-Ausgabe schon jetzt „unverzichtbar für die Erschließung des Kafkaschen Werks“ sei. Diese Einschätzung teilen mehr als 250 Personen, die den offenen Brief unterschrieben haben. In der Liste finden sich Schriftsteller wie Louis Begley und Elfriede Jelinek, renommierte Wissenschaftler und Germanisten wie Hans Zeller und Peter von Matt sowie Bibliotheks-Direktoren und Goethe-Instituts-Leiter aus dem In- und Ausland. Sie schließen sich dem Protest an und bitten die DFG, „die unverständliche Entscheidung zu überdenken“.  JÜRGEN BERGER