die bio-muffel:
von KARL WEGMANN
„Wer hat den Jogurtbecher in die Biotonne geworfen?“ Mecki ist stocksauer. Wir schauen uns an und schweigen. „Ihr Umweltsäue!“, brüllt Mecki und verschwindet wieder.
„Früher“, sagt Willy, „früher war alles einfacher. Du hast einen Jogurt gegessen und den Becher in den Abfall geworfen. Heute geht das nicht mehr.“ – „Warum denn nicht“, fragt Hermann, „ich mach das immer so.“ – „Weil wir die Welt retten müssen“, sagt Bernd, „für unsere Kinder“. – „Früher“, seufzt Willy, „früher hat man abends den Mülleimer rausgebracht, und alles war in Ordnung. Heute braucht man einen farbigen, äußerst komplizierten Terminplan: Der gelbe Sack wird alle 14 Tage abgeholt, die blaue Tonne alle drei Wochen geleert, Restmüll jede Woche, Biomüll . . . keine Ahnung, wahrscheinlich kurz bevor er Wurzeln schlägt.“ – „Genau“, meint Bernd, „ich hasse Biomüll. Der stinkt, lockt Fliegen an, ist Nährboden für alle möglichen Krabbeltiere . . . das kann doch nicht gesund sein.“ – „Ihr habt Sorgen“, kommentiert Hermann und schüttelt den Kopf, „ich rette die Welt auf jeden Fall nicht, dafür bin ich gar nicht ausgebildet.“ – „Apropos gesund“, sagt Willy, „seitdem bei uns auf dem Biomarkt eingekauft wird, reicht die Haushaltskasse nur noch halb so lange, dafür haben wir aber fette Maden im Brokkoli und Würmer im Obst.“ – „Wann fing diese verfluchte Knechtschaft eigentlich an?“, grübelt Bernd. „Ich glaube, so Anfang der Achtziger, zur gleichen Zeit, als in Deutschland Dosenbier eingeführt wurde“, weiß Willy. „Ja, ich erinnere mich“, sagt Bernd, „damals hat Kollege Manfred doch ein Plakat an unseren Kühlschrank gehängt, auf dem waren eine Bierdose zu sehen und 25 Flaschen. Sollte heißen: Mit der Energie, die benötigt wird, um eine Dose herzustellen, kann man 25 Flaschen machen . . .“ – „Stimmt das?“, fragt Hermann. „Keine Ahnung“, meint Bernd, „darum ging’s doch auch gar nicht.“ – „Wir haben damals angefangen bei einem Biometzger einzukaufen“, Willy verzieht angewidert das Gesicht, „graue Wurst und so. Und dann wollten wir es genau wissen. Wir haben je ein Stück Rindfleisch im Supermarkt und eins beim Bioschlachter gekauft, beide Stücke in verschiedenen Töpfen genau gleich als Rinderschmorbraten zubereitet. Dann Geschmackstest. Von sechs bis acht Leuten hat kein Einziger einen Unterschied geschmeckt.“
„Aber die Fuchtel der Mülltrennung kam doch später?“, fragt Bernd. „Das mit dem Müll kam ungefähr mit der Kampagne gegens Stehpinkeln auf“, sagt Willy. „Jau“, lacht Bernd, „die war auch lustig, und dann kam doch schon bald die mit der politischen Korrektheit.“ – „Das war sowieso die beste“, grinst Willy, „weil da einfach alles reinpasste. Hamburgeressen war zum Beispiel nicht mehr ungesund, sondern politisch unkorrekt.“ – „Wie sieht’s denn eigentlich jetzt aus?“, erkundigt sich Bernd, „irgendetwas Neues?“ – „Ja“, sagt Willy, „Frauen sollen sich nicht mehr die Achselhöhlen rasieren.“ – „Warum nicht?“, fragt Bernd. „Hat das jemals eine Rolle gespielt?“, fragt Willy zurück. „Ich muss mal pissen“, verkündet Hermann, „wo ist denn hier der Türkische Pavillon?“
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