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Archiv-Artikel

die besten verschwörungstheorien

Waffendeal-Theorie: Buchautor Wolfram Baentsch recherchierte drei Jahre und kam zu dem Schluss: „Barschel ist ermordet worden.“ Schon der Cessna- Absturz im Mai 1987, den Barschel überlebte, sei ein Anschlag gewesen. Grund für den Mord sei der Krieg zwischen Iran und Irak gewesen. „Israel und die USA hatten ein Interesse daran, den Krieg mit Waffen zu füttern“, sagte Baentsch in einem Interview. Aber beide Staaten wollten nicht direkt auftreten – Waffendeals liefen daher über Schleswig-Holstein: „Waffen wurden in Lastwagen über Italien nach Deutschland transportiert, zunächst nach Hamburg und dann nach Schleswig-Holstein.“ Barschel habe das unterbinden oder öffentlich machen wollen. Darum sei er getötet worden, genau wie Olof Palme, der Waffenhandel über Schweden unterbinden wollte. Den Mord im Hotel beging nach Baentschs Theorie ein Killerkommando des israelischen Mossad, aber auch andere Agenten in- und ausländischer Geheimdienste waren im Bilde. Barschel sei nicht nur physisch, sondern zuvor moralisch erledigt worden – Baentsch schreibt daher vom „Doppelmord an Uwe Barschel“.

BND, CIA und sonstige Dunkelmänner: Wie es der Zufall will, hatte sich an Barschels letztem Wochenende auch Werner Mauss, V-Mann, Privatdetektiv und freier Mitarbeiter des BND, im „Beau Rivage“ eingemietet. Er sei dann aber gar nicht dort gewesen, sagte er dem NDR, stattdessen wohnte er in einem Nachbarhotel. Dort fanden Verhandlungen um im Iran festgehaltene deutsche Geiseln statt. Beteiligt waren iranische Waffenhändler. Der BND streitet ab, etwas mit Barschels Tod zu tun zu haben, auch Mauss hat nur in der Zeitung darüber gelesen. Weiß die CIA mehr? Es gibt Theorien, die den US- Geheimdienst in den Fall verstricken. So saß der damalige CIA-Chef Robert Gates am 6. Oktober 1987 mit Ehepaar Barschel im selben Flugzeug. Zwar soll Gates am Todes-Wochenende nicht mehr in Genf gewesen sein, aber das besagt nichts. Die Amerikaner hätten Barschel ausschalten wollen, damit der keine Details über Waffendeals – von den USA über Israel in den Iran – verriet. Aber auch „hochrangige Waffenhändler“ selbst hätten den Kieler Politiker aus dem Weg räumen wollen. Was hat Jean-Jacques Griessen herausgefunden? Der von Barschels Bruder Eike beauftragte Schweizer Privatermittler starb im November 1992 unter mysteriösen Umständen.

Lornsen-Theorie: 1838 gab es schon einmal einen spektakulären Selbstmord am Genfer See: Uwe Jens Lornsen, einer der Vordenker eines freien Schleswig-Holsteins, entleibte sich „am schönen Ufer“ – und hieß nicht das Barschel-Hotel „Beau-Rivage“? Das kann kein Zufall sein, so die Theorie eines Heimatkundlers aus dem Nordfriesischen, der sich an die taz wandte: „Barschel wollte auf Lornsen hinweisen.“ Zwischen ihnen gebe es viele Parallelen: Beide waren Juristen, beide im Staatsdienst – Lornsen arbeitete in Kopenhagen in der für Schleswig und Holstein zuständigen Kanzlei –, beide standen in der Öffentlichkeit und gerieten unter Druck. Lornsen verfasste eine politische Schrift, die der dänische König als aufrührerisch empfand, und landete in Festungshaft. „Seine Anhänger haben mehr von ihm erwartet, er konnte es nicht leisten“, meint der Heimatforscher. Lornsen litt unter Krankheiten und vagen Schuldgefühlen. Er suchte den Tod im See, und er machte es gründlich: Er stand im Wasser, schnitt sich die Pulsadern auf und erschoss sich. Auch diese Mehrfach-Methode erinnere an Barschel, meint der Heimatforscher. Barschel, der gewusst hätte, dass sein Spiel aus war, habe falsche Spuren gelegt, um seinen Selbstmord zu verschleiern. ESTHER GEISSLINGER