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die anderen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung beschäftigt sich mit der veränderten Bezeichnung von „Schurkenstaaten“: Für die einzige Weltmacht versteht es sich von selbst, die Staatenwelt nach geostrategischem Gusto wenn nicht in Gut und Böse, so doch in vertrauenswürdig und zwielichtig aufzuteilen. Dass der „Schurkenstaat“ jetzt aus dem Wörterbuch der Tugendhüter in Washington gestrichen worden ist, hat weniger moralische als politische Beweggründe. „States of concern“ sollen Schurken von gestern fortan heißen, die der Unbotmäßigkeit geziehenen Länder von Kuba über Irak bis Nordkorea. Und die Umsetzung dieser Rechtschreibreform ins Deutsche? Besorgnis erregende Länder? Sorgenländer? Risikostaaten? Man ist geneigt, dem Auswärtigen Amt zuzustimmen, das sich für „Risikostaaten“ entschieden hat.

Die Süddeutsche Zeitung kommentiert den EU-Gipfel in Feira: Die EU spricht von einem Erfolg, doch er ist es nur auf dem Papier. Nach zähen Verhandlungen einigte sich die Union im portugiesischen Feira auf einen wackeligen Kompromiss bei der Zinsbesteuerung, von dem sich Österreich auch ein Entgegenkommen bei der Aufhebung der Sanktionen verspricht. Es wird noch rund zehn Jahre dauern, bis die EU ihre Steuerrichtlinie zur Einführung einer generellen Meldepflicht umsetzen kann. Und auch das ist nicht sicher. Denn die Mitgliedstaaten müssen nochmals einstimmig entscheiden, sobald die Verhandlungen mit den Drittstaaten abgeschlossen sind. Man mag über Sinn oder Unsinn einer EU-weiten Zinsbesteuerung generell streiten. Die Fessel der Einstimmigkeit hat die Union genötigt, einer Lösung zuzustimmen, die eigentlich keine ist.

Die Welt aus Berlin analysiert Angela Merkels Kurs für die CDU: Jede Regierung, die handeln muss, verliert naturgemäß gegenüber einer Opposition, die sich wohlfeil verhält. Insofern scheint Merkels Strategie aufzugehen, sich die Stimmen der vielen Unzufriedenen wie reife Trauben in den Schoß fallen zu lassen. Aber der Preis ist dramatisch hoch, den die Union dafür zahlen muss, für die Masse der Modernisierungsverlierer attraktiv zu erscheinen. So ist sie drauf und dran, das strategische Bündnis mit der Wirtschaft an die SPD zu verlieren und sich dafür eine nostalgische Sozialkompetenz einzuhandeln, mit der sich kein Blumentopf gewinnen lässt. Aber auch auf anderen traditionellen Feldern räumt die CDU klammheimlich eine Position nach der anderen. Was Frau Merkel als Erneuerung ausgibt, ist ein riskantes Spiel mit der gewachsenen Identität ihrer Partei.

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