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die anderen

Zur Diskussion über die Vergangenheit von Joschka Fischer schreibt die linksliberale tschechische Tageszeitung Právo: Es versteht sich von selbst, dass die europäischen Konservativen stets versuchen werden, den Einfluss der früheren Studentenbewegungen zu bagatellisieren. Ja, diese Bewegungen haben eine Niederlage erlitten, aber der Kapitalismus wird wegen ihnen nie mehr das sein, was er einmal war. (...) Aber das Wichtigste ist, dass die heutige jüngere und mittlere Generation der Deutschen durch die damalige Revolte zu bekennenden Antifaschisten geworden sind. Und eine der wichtigsten Quellen der Europäischen Union ist gerade das französische Jahr 1968 und die deutsche Studentenbewegung.

Der konservative britische Daily Telegraph meint: Joschka Fischer hat einen schwierigen Monat hinter sich, auch wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder ihn als einen ausgezeichneten Außenminister bezeichnet hat. Fischer hat den Vorteil, dass er offen das sagt, was viele auf dem Kontinent denken. Das Misstrauen in den Nationalstaat durchzieht sein Denken wie ein roter Faden. Schon in seinen Jugendjahren zog er gegen den vermeintlich korrupten und gewaltsamen Staat zu Felde. Im mittleren Alter trat Fischer dafür ein, Macht von der Bundesrepublik auf die EU zu übertragen. Das britische Außenministerium mag besorgt darüber sein, dass die unklare Haltung von Labour zu Europa durch die Äußerungen Fischers bloßgelegt wird. Aber die Zukunft unseres Kontinents ist wichtiger als kurzfristige Wahlkampftaktik.

Die Neue Zürcher Zeitung kommentiert die Vorwürfe gegen Jürgen Trittin wegen des „Buback-Nachrufs“: Nachdem der frühere Linksextremismus des deutschen Außenministers Fischer Gegenstand öffentlicher Erörterungen geworden war, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Vergangenheit anderer Regierungsmitglieder aus dieser Generation zur Sprache kommen würde. (...) Die Vorgänge um den Außenminister und seinen Kabinettskollegen machen einmal mehr deutlich, dass eine klare Grenzziehung zwischen dem linksextremen Milieu jener Tage und dem harten Kern des Terrorismus nicht möglich ist. Die Wahlverwandtschaft reichte vom gemeinsamen fanatischen Hass auf die Bundesrepublik bis hin zu Unterstützungsleistungen für Personen im Untergrund oder Inhaftierte. (...) Sich mit diesem Erbe der anfänglichen Gegnerschaft gegenüber dem System auseinander zu setzen, gehört zu dem mühseligen Wandlungsprozess, den die Grünen seit ihrer Regierungsbeteiligung durchlaufen.

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