die anderen:
Die linksliberale tschechische Tageszeitung Právo (Prag) schreibt über die Kriegsgefahr nach den Terroranschlägen in den USA: Wenn Washington von einem länger dauernden Krieg spricht, kann dies auch bedeuten: Die Vergeltung für die beispiellosen Angriffe auf die USA soll so exakt erfolgen, dass Zivilisten in anderen Ländern so weit wie möglich geschont werden sollen. Wo aber der Wald des Terrorismus abgeholzt werden soll, fliegen Späne – und die „Schreiner“ leiden in ihrer Suche nach Rekruten keine Not.
Die kommunistische Pariser Tageszeitung L’Humanité beschäftigt sich mit den politischen Konsequenzen: Als Antwort auf die terroristische Barbarei ist der von US-Präsident George W. Bush ausgerufene „Kreuzzug“ die schlechteste Herangehensweise. Genau diese Panikreaktion haben die Hintermänner der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon offensichtlich erzielen wollen. Die „Heiligen Krieger“, die der westlichen Welt den Kampf bis zum Tod angesagt haben, würden sich freuen, wenn die US-Regierung ihnen in gleicher Weise antwortet. Militärschläge gegen Zivilisten könnten zu einer furchtbaren Verkettung führen. Dies wäre für die Menschheit ein Alptraum und der Einstieg in einen Kampf der Kulturen.
Der liberale Züricher Tages-Anzeiger kommentiert: In den Sozialwissenschaften gibt es die Begriffe von sich selbst erfüllenden und sich selbst zerstörenden Prophezeiungen. Die Terroristen setzen darauf, dass sich der „Krieg der Zivilisationen“ zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt. Sie stellen keine Forderung und übermitteln keine Bekennerbriefe. Sie rechnen damit, dass der Anschlag seine eigene, teuflische Dynamik entwickelt, dass bei einem allfälligen Gegenschlag erneut unschuldige Menschen getötet werden, dass in den USA und im Westen Pogromstimmung gegen Muslime erzeugt wird und dass dies ihre wirre These von den „satanischen USA“ bestätigt. Geht diese perverse Kalkulation auf, dann hat sich der feige Anschlag aus Sicht der Terroristen gelohnt.
Der Daily Telegraph (London) schreibt: Der Westen schlug zurück. Nicht mit Militärmacht oder Drohungen, sondern mit der Wiedereröffnung der Börse in New York. Märkte sind von Natur aus farbenblind, ökumenisch und international. Das World Trade Center war genau das: ein Ort, wo Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenkamen, um zum Wohl aller zu kooperieren. Mit der Rückkehr an ihre Arbeitsplätze haben die Händler und Makler der Wall Street der Menschheit einen großen Dienst erwiesen.
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