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Archiv-Artikel

die anderen zur gesundheitsreform und zu friedrich merz’ kurzrücktritt

Die belgische Tageszeitung La Libre Belgique kommentiert die deutsche Gesundheitsreform: Die Liste der Opfer ist lang. Zwei Kritikpunkte werden angeführt gegen diese Reform, die dennoch nicht ohne Wert ist. Die großen Parteien räumen ein, dass sie für die Dauer von fünf Jahren ein Gleichgewicht der Krankenkassen schafft. Aber anschließend geht es wieder von vorne los. Zweite Klage: Die Versicherten zahlen die Rechnung, während die mächtigen Lobbyverbände der Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen relativ ungeschoren davonkommen. Das war der Preis, der zu zahlen war, um die Zustimmung der Rechten zu bekommen.

Harald Schmidt meint im Focus zum Verhalten von Friedrich Merz: Friedrich Merz hat das Monopol auf eine interessante Vorgehensweise in der deutschen Politik: den Kurzrücktritt. Im Gegensatz zu anderen Kurzaktionen (Sekundenschlaf am Steuer, Quickie in der Besenkammer) hat der Kurzrücktritt keine Auswirkung auf Leben (Quickie) und Tod (Schlaf). Sein tänzerischer Charakter (vorwärts-rückwärts-seitwärts-schließen) bringt vielmehr Bewegung in die Politik: Schaut her, der Friedrich Merz tritt wieder zurück. Auch könnte er für heitere Zurufe in der Bundestagskantine sorgen: „Na, heute schon zurückgetreten?“ So was lockert, gerade in schweren Zeiten. Natürlich hat Herr Merz seinen Rücktritt nicht genehmigt bekommen. Als Stellvertreter muss er ihn sich nämlich von der Vorsitzenden genehmigen lassen, und die kann unmöglich auf den Einzigen in der Partei verzichten, der eine Einkommensteuererklärung ausfüllen kann. Das ist jetzt vielleicht etwas ungenau formuliert, aber so ähnlich stand es in allen Zeitungen: „In Sachen Wirtschaft und Finanzen hat die Union nur einen, den Merz.“ Da kann es dem gemeinen Wähler schon mulmig werden, wenn die große Volkspartei, für die Zweidrittelmehrheiten vielleicht bald so selbstverständlich werden wie drei Gegentore für den FC Bayern, wenn ausgerechnet diese Partei nur einen hat, der sich auskennt. Der Interimsrücktritt von Merz erinnert unsereins an einen Bekannten aus der Jugendzeit, der fast diese gesamte Jugendzeit in einem einzigen, sehr auffälligen Pullover verbrachte. In genau diesem Pullover ging er eines Nachmittags samt Strumpfmaske zwecks Banküberfall in die örtliche Sparkasse. Der überfallene Angestellte sagte: „Mensch, Erwin (Name geändert), jetzt lass doch den Quatsch.“ Ende des Banküberfalls. Keine Anzeige. Ob es so gelaufen ist im Vorstand der CDU, wissen wir nicht. Vielleicht erfahren wir es beim nächsten Rücktritt.