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Archiv-Artikel

die anderen zur Rede von George W. Bush über den anhaltenden „Krieg gegen den Terror“

Zur jüngsten Rede von US-Präsident George W. Bush meint die römische Zeitung Il Messaggero: Wenn George Bush in Schwierigkeiten ist und seine Popularität sinkt, kennt er eine Art, die Zustimmung der Öffentlichkeit schnell wieder zu gewinnen: Er spricht dann von den Attentaten am 11. September 2001, erinnert an die Ziele des Terrorismus und an die diktatorischen und unterdrückerischen Pläne des radikalen Islamismus und verspricht, den Kampf gegen diese Gegner niemals aufzugeben. In der Regel lassen solche Peitschenhiebe die Zustimmung steigen. Doch am Donnerstag hat Bush dies in einer politischen Atmosphäre versucht, in der er zum ersten Mal auch in seinem eigenen Parteilager auf Schwierigkeiten stößt. Die Experten haben seine Ausführungen als zu vage und als nicht sonderlich überzeugend empfunden.

Der in Zürich erscheinende Tages-Anzeiger spricht von einem Realitätsverlust des US-Präsidenten: Bush hat Recht, wenn er die Auseinandersetzung mit den Kräften menschenverachtender Gewalt in einen globalen Rahmen stellt und als ideologischen Kampf charakterisiert. Dass der Sumpf islamistischer Gewalt nur dann ausgetrocknet werden kann, wenn die muslimische Welt von Hoffnungslosigkeit und Armut befreit wird. Auch damit hat Bush Recht. Man werde Bin Laden „ausräuchern“, hatte dieser Präsident versprochen, ehe er im Irak intervenierte, wo erst durch seine fatale Entscheidung eine „zentrale Front gegen den Terrorismus“ eröffnet wurde. Wieder und wieder und mit stets wechselnden Argumenten verteidigt Bush seitdem seinen Entschluss, stets aber scheint dabei ein Besorgnis erregender Verlust an Realität durch. Längst beflügelt der Konflikt im Irak die Rekrutierung islamistischer Gewalttäter – während die Anwerbung amerikanischer Rekruten auf den tiefsten Stand seit 26 Jahren gefallen ist.

Die New York Times konstatiert ebenso ein Ausweichen vor den realen Problemen: Bush sprach nicht über die derzeitigen Probleme der Nation. Er lieferte eine Wiederaufnahme seiner Rhetorik vom 11. September, die ein Ausweichen vor der heutigen Realität nahe legt, das geradezu erschreckend zu sein scheint. Die Zeit gleich nach dem 11. September war – trotz der schmerzhaften Erfahrung – der Höhepunkt der Präsidentschaft Bushs. Vor vier Jahren hingen wir an jedem Wort, wenn Herr Bush al-Qaida anprangerte und den ergreifenden – aber, wie sich herausstellte, leeren – Schwur ablegte, Ussama Bin Laden zur Strecke bringen zu wollen. Gestern schien es, als ob der Präsident noch versuchte, im Jahr 2001 zu leben.