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Archiv-Artikel

die anderen über kelly und stoibers wahlsieg

Zur Untersuchung der Kelly-Affäre schreibt die linksliberale britische Zeitung The Independent: Durch die Hutton-Untersuchung zieht sich ein Leitmotiv, das sich immer mehr verfestigt: der Eindruck einer Regierung, die bei fast allem, was sie tut, völlig auf die Medien fixiert ist – und sich verzweifelt zu verstecken versucht, sobald diese Zwanghaftigkeit wirkliche Opfer wie Dr. Kelly fordert. Die Fakten sind ziemlich eindeutig: Großbritannien ist auf der Grundlage einer übertriebenen und ungenauen Darstellung der geheimdienstlichen Informationen in den Krieg gezogen. Das wiederum hat Zweifel bei denen aufkommen lassen, die an der Erstellung des [Irak-]Dossiers beteiligt waren, einschließlich Dr. Kelly. Diese Zweifel wurden – wie unvollkommen auch immer – von einem BBC-Reporter dargestellt. Bisher ist noch niemand bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen.

Zu den Wahlen in Bayern schreibt die linksliberale Zeitung El País aus Madrid: Ein Jahr nach Gerhard Schröders knappem Sieg bei den Bundestagswahlen hat sich Edmund Stoiber bitter revanchiert. Der Wahlsieg der CSU in Bayern bedeutet eine ernsthafte Warnung für Schröder. Die Deutschen wissen, dass es in ihrem Land vielleicht eine alternative Mehrheit, aber keine Alternative zur Wirtschaftspolitik der rot-grünen Regierung gibt. Der Kanzler hat keine andere Wahl, als mit den Reformen fortzufahren. Dazu benötigt er die Unterstützung Stoibers im Bundesrat. Schröder und Stoiber sind dazu verurteilt, sich zu verständigen.

Das österreichische Boulevardblatt Neue Kronenzeitung analysiert diese Wahl: Edmund Stoiber ist nicht der Politikertyp, dem die Herzen zufliegen. Er ist kein charismatischer Volkstribun, eher das Gegenteil von einem Franz Josef Strauß, ein eiskalter Politprofi, dabei aber ein Stimmenfänger, der mit seiner Zweidrittelmehrheit alle Bayern-Rekorde bricht. Wenn jetzt die Bundestagswahl auf dem Programm stünde, hätte Schröder wohl keine Chance gegen ihn. Das Votum für Stoiber und seine CSU war auch eines gegen Schröder. An der totalen Pleite der bayerischen SPD hat der Kanzler kräftigen Anteil.

Und die russische Tageszeitung Kommersant meint: Mit diesem Wahlerfolg hat Stoiber Revanche an Schröder genommen. Jetzt können die CSU-Politiker jegliche Vorsicht über Bord werfen. Es gibt im rechten Lager nur wenige Politiker, die es mit Stoiber aufnehmen könnten. Doch weder die CDU-Vorsitzende Angela Merkel noch Hessens Ministerpräsident Roland Koch haben solch eine Ausstrahlung.